Entweihung und Heiligung des göttlichen Namens. (איסור חילול השם ומצות קידוש השם)‎ Kapitel 97

So achtet denn meine Gebote und führet sie aus, Ich, Haschem. Entweihet nicht Meinen heiligen Namen! Geheiligt will Ich werden in der Mitte der Söhne Jissroels, Ich, Haschsem, berufe zur Heiligkeit euch, der Ich euch führe aus dem Lande Mizrajim, daß Ich euch Gott sei, Ich, Haschem (III, 22, 31.)

§. 610. An dem Eingang zu Jissroels Pflichttempel traten zusammen wir zu Gott hinan, Sohn und Tochter Jissroels, und hörten an der Schwelle über uns Gott aussprechen Seinen heiligen Namen, daß wir Ihn aufnahmen zu unserem Gott, Ihn, der dazu aus Mizrajim uns geführt, — zu Ihm aufblickend sprachen: Du bist mein Gott! und in diesem Aufblick und in diesem Ausspruch weiheten Geist und Herz, Genuß und Wort und That der Erfüllung Seines heiligen Willens. Wir sind ihn durchgewandelt den hehren Tempel des thätigen Jissroellebens, und haben vernommen die Pflichten, zu denen uns der heilige Name ruft, den wir auf uns genommen. Der heilige Gottesname, den du trägst, m. S., m. T., der dich ausrufen soll zu jedem Schönen und Guten, zur Wahrheit, und zum Recht und zur Liebe, er ist's auch, der jeden deiner Brüder und Schwestern in Jissroel weihen soll zu gleichem Leben; er ist’s auch, der alle deine Brüder und Schwestern in der Allmenschheit ladet, zu Ihm sich zu sammeln und Ihm sich zu heiligen. Und — laß’ laut dir schlagen das Herz ob des hohen Gedankens —: nicht für dich allein hast du den heiligen Gottesnamen auf dich genommen, an der Art, Wie du ihn trägst, soll sich auch das Leben deiner Brüder und Schwestern in Jissroel erleuchten und weihen; durch die Art, wie Jissroel diesen heiligen Namen trägt, soll dieser Name wie ein Lichtstrahl durchleuchten durch die Gänge der Geschichte, und für Gott, den Alleinen, Denkmal sein und für heiligen Menschenberuf! Darum, wie uns am Eingang des Pflichtentempels begrüßte der Ruf:

»Ich, Haschem, sei dein Gott, der Ich aus Mizrajims Land dich geführt, aus dem Sklavenhause!«

so geleite am Ausgang das Wort uns:

»So achtet denn meiner Gebote und führet sie aus, Ich, Haschem! Entweihet nicht Meinen heiligen Namen! Ich will geheiligt werden in Mitte der Söhne Jissroels, Ich, Haschem, berufe euch zur Heiligkeit, der Ich euch führe aus Mizrajims Land, damit Ich euch Gott sei, Ich, Haschem!«

geleite uns, und warne uns vor Entweihung des heiligen Namens, mahne uns zur Heiligung des heiligen Namens, den wir tragen. —

§. 611. Entweihe nicht Seinen heiligen Namen, den du trägst! Töte nicht Seine heilige Anerkennung im Gemüte deiner Brüder und Schwestern in Jissroel! — Wenn du nicht göttlich, nicht des Namens würdig lebst, den du trägst, wenn in Geist und Gemüt Lüge und Selbstsucht du birgst, dein Besitz ungerecht, dein Genuß unheilig, deine That lieblos ist, wenn du den ganzen hehren Chaurew-schmuck vermäkelst um einer Laune, einer Neigung, einem Vorteil zu fröhnen, — wenn dein Leben es zeigt, daß dir der allheilige Gott und Sein heiliger Wille nicht heilig ist, nicht das Höchste ist, und du Höheres hast — Besitz, Genuß, Menschenehre und was sonst, — wofür du Jene preis giebst —: sieh, so tötest du nicht nur in dir den heiligen Namen, daß er dich nicht mehr zur Heiligkeit erziehe, sondern tötest auch seine heilige Anerkennung im Gemüte der Brüder, zeigst, daß man Jissroel sein könne, und doch ungerecht, und unheilig, und lieblos — und ladest zu gleichem Sein. Entweihe ihn nicht! (Vergl. ‏רמבם הל’ יסודי התורה‎ 5, 10.)

§. 612. Vor Allem ergeht aber der Ruf an der Gemeinden Führer und an ihre Geistesmänner, an Jeden, der als geistiger Träger der Lehre, als vertraut mit der Thauroh, als Schüler der Weisen, Talmid Chochom (תלמיד חכם) wie die Weisen sich nennen, dasteht, an sie ergeht vor Allem der Ruf Gottes: Entweihet nicht Meinen heiligen Namen, den Ihr traget, der durch euch geheiligt werden soll, durch euer Wort und Beispiel gelehrt und gepflanzt werden soll in die Gemüter eurer Brüder und Schwestern, entweihet ihn nicht! Nicht nur nicht durch wirkliche Ungerechtigkeit, Unheiligkeit und Lieblosigkeit, sondern auch nicht durch Alles, was nur den Schein davon trägt in den Augen der Uebrigen; bei Euch ist nicht nur die Sünde Sünde, sondern auch der Sünde Schein, der Sünde Nähe ist Sünde, denn sie erzeugen Sünde in Gemüt und Leben der Brüder. Wie sollten die Uebrigen dem Lichte der Thauroh sich zuwenden, wenn sie sähen oder glauben dürften, daß die Träger der Thaurohleuchte selber nicht erleuchtet wären von der Thauroh Licht! Wie sollten sie die Thauroh sich als Lebensrichtschnur wählen, wenn sie sähen oder glauben dürften, die Kenner der Thauroh selber richteten ihr Leben nicht nach ihr! Wie sollten sie die Thauroh heilig achten lernen, wenn sie sähen oder glauben dürften, der Thauroh Vertraute selber hielten in Leben und That sie nicht heilig, würden nicht geheiligt durch sie! Nur wenn der Priester auch selbst die Erkenntnis achtet, sucht man die Lehre aus seinem Munde, wenn er, ein Bote der Gottheit, engelrein dastehet!

§. 613. Was aber der Priester im Volke ist, das soll Jissroel sein in der Menschheit. — Als in Awrohoms Erwählung der Grundstein zu diesem Volke gelegt ward, sprach Gott, der erwählte und den Grundstein legte, dessen Bedeutung aus:

»daß durch ihn Segen werden solle allen Geschlechtern der Erde«, (I, 12, 3.)

und erklärte den Segen aus dieser Erwählung:

»Und Awrohom soll ja werden zu einem großen und starken Volke, und Segen dadurch werden allen Völkern der Erde; denn Ich habe ihn nur ausgezeichnet, damit er verpflichte seine Kinder und sein Haus nach ihm, daß sie achten des Weges Haschems, Milde und Recht zu üben!« (I, 18, 18.)

daß also Awrohoms Enkel wandeln sollen mit Liebe und Gerechtigkeit in dem Wege Haschems, und durch dies stille Beispiel Segensdenkmal werden unter den Geschlechtern der Erde für Gott und Menschenberuf; daß sie

»ein Reich von Priestern und ein heilig Volk« (II, 19, 6.)

sein sollen, wie der Priester im Volke, also sie in der Menschheit die Lehre über Gott und Menschtum bewahren, und darum ein heilig Volk sein sollen, erhaben über jedes Ungerechte, Unheilige und Lieblose, wie es den Trägern solcher Lehre geziemt. Brüder und Schwestern, wenn wir solchem hohen Berufe genügten! Wenn wir ruhig und Gott ergeben trügen die Geschicke, die Gott zu unserer Erziehung und zu Seiner Offenbarung an die Menschheit uns auferlegt, bescheiden blieben in Zeiten der Milde, fest und vertrauensvoll und Besserung erstrebend in Zeiten des Druckes, — wenn wir still und bescheiden unser Jissroelleben vollendeten, Geist und Gemüt erleuchteten und stärkten durch der Thauroh Lehren, uns und Anderen vereinigten diese Lehre durch die Denkmalspflichten, sie erfülleten durch ein Leben der Gerechtigkeit und Liebe gegen jedes Wesen, das Gottes Schöpfersiegel trägt, wie unser Gotteswort uns lehrt, wenn wir so wahr und gerecht und heilig und liebevoll wären in Geist und Gemüt, in Besitz und Genuß, in Wort und That, — Brüder und Schwestem — wenn dann Gott aus unserem Geschick und Leben reifen ließe die Segens-Verheißung: daß, durch eigene Erfahrung geweckt, neu erleuchtet und gehoben durch unser Geschick und Leben, die ganze Menschheit im Allverein mit uns zu dem Alleinen sich erhübe — und wir so vollendeten unsere Menschheitspriesterbestimmung —: Brüder und Schwestern, welche Seligkeit, gereist aus den Jahrtausenden der Nacht und des Elends, des Kummers und der Not!

Aber weil so hohe heilige Bestimmung Jissroel trägt, weil zur Lösung dieser Bestimmung jeder Jissroels-Sohn und jede Jissroels-Tochter durch ihr Leben im stilleigenen Kreise beizutragen verpflichtet ist: wie sehr haben wir zu achten auf unseren Wandel, wie sehr vor Allem zu achten auf unseren Wandel mit Nichtjissroel daß ihnen in unserem Leben auch wirklich nur der Abdruck der Lehre der Wahrheit, des Rechts und der, Liebe daliege! Darum ergehet wiederum an uns Alle der Ruf: Entweihet nicht Meinen heiligen Namen! Tötet nicht durch euer Leben die Anerkennung des allheiligen Gottes und Seines Wortes in den Gemütern der Völker unter denen ihr lebet! —

Wenn du übermütig oder murrend hinnähmest aus Gottes Händen die Freuden oder Leiden, die er über Jissroel verhängt, — wenn dein Geist unerleuchtet, unerwärmt dein Gemüt wäre vom Feuer des Gesetzes, — wenn du vernachlässigtest oder gedankenlos übtest die Denkmäler, die Geister wecken und Gemüter erheben sollen zu Gott, — wenn dein Besitz aus Unrecht, dein Genuß aus Unheiligkeit erblühete, — wenn in deinem Leben mit Nichtjissroel statt Wahrheit, Lug und Verschlagenheit, statt Recht, Betrug und Ungerechtigkeit, statt Liebe, Härte und Selbstsucht du übtest, — wenn du Gott und Seine Lehre und alles Heilige und Große, das zu vertreten dich der Name Jissroel mahnt, wenn du das Alles preisgäbest äußeren Vorteils halber, deinen Besitz zu vergrößern, deine Neigung zu befriedigen, Menschenehre und Ansehn zu erlangen, oder selbst um ungerechten Druck von dir abzuwenden —: siehe, dann würdest du töten die Anerkennung, die du in’s Leben wecken, würdest abwenden, die du herwenden sollst, verächtlich machen, was durch dich geachtet werden soll, würdest in Nacht verkehren das Licht, das durch dich zu leuchten bestimmt ist, würdest herabwürdigen das Heiligtum, das durch dich geheiligt werden soll, würdest entweihen den Namen des allheiligen Gottes und Seine Lehre, deren Träger und Erfüller und Priester zu sein deine einzige Bestimmung ist.

Darum sprechen die Weisen: »Schwerer noch ist das Verbrechen der Beraubung und der Ungerechtigkeit gegen einen Nichtjuden als gegen einen Juden; denn gegen einen Juden ist’s einfache Uebertretung des Verbots: du sollst nicht rauben u. s. w.‎ gegen einen Nichtjuden ist es dies und noch das nur mit dem Tode zu sühnende Verbrechen der Entweihung des göttlichen Namens. Und jeder Jude, der einen Nichtjuden belügt oder betrügt, begeht dieses größte aller Verbrechen, und es heißt ja: »die Uebriggebliebenen Jissroels sollen nicht Unrecht üben, sollen nicht Täuschung reden, und es finde sich in ihrem Munde nicht die Sprache des Truges!« — Und wiederum nicht nur wirkliche Ungerechtigkeit, wirkliche Lieblosigkeit, sondern auch selbst den Schein derselben meide gegen deine nichtjissroelitischen Brüder; denn auch der Schein ist gleiches Verbrechen mit der Sünde, weil er, der Sünde gleich, Herabwürdigung Dessen erzeugt, dessen Heilighaltung deine Aufgabe ist. (‏ס’מ'ג‎ Verb. 2. 151. und ‏ח”מ‎ an verschied. Stellen.)

Unter die Augen der Welt hat Gott uns hingestellt, und Jahrhunderte herab ist man’s gewöhnt, das Vergehen Eines Jissroelgliedes dein gesamten Hause Jissroel zur Last zu legen, und aus dem, wie Jissroels Söhne leben, zu schließen, wie Jissroels Lehre fordere daß seine Söhne leben sollen — siehest du da nicht, wie von deinem Einzelleben die Ehre deines Volkes abhängt, und von dem Leben der Jissroels Söhne die Achtung des alleinigen Gottes und Seiner Lehre? Siehest du nicht, wie Ein unwürdiger Schritt in deinem Leben nicht nur dich, nein, auch das gesamte Haus Jissroel, ja auch Gott und Seiner Offenbarung Wort herabwürdigt? Wohlan, so fühlen wir uns denn unter dem Auge der Welt! Lebe jeder in dem Bewußtsein, daß auf Jedem, Jedem ruhe die Ehre des ganzen Hauses Ja-akauws, die Lösung der Jissroelaufgaba die Heiligung Gottes und Seiner Lehre, und leben wir so, daß wir dem prüfenden Auge der Welt nur ein reines, gutes, Thauroh gemäßes Jissroelleben bieten, und nicht Lügen strafen das Prophetenwort:

»Und dein Volk allesamt gerecht —
zur verhülleten Zeit wendet die Erde ihnen sich zu —
‎Blüte Meiner Pflanzung,
Werk Meiner Hände
Mich zu verherrlichen!« ( ‏ישעי' , .21, 60)

Chillul Haschem (‏השם‎ חילול) Entweihung des göttlichen Namens, Ertötung der Anerkennung Gottes und Seiner Lehre ist ein so schweres Verbrechen, daß die Weisen kein größeres kennen. »Alle Sünde,« sprechen sie, »kann durch wahrhafte Th’schuwoh, Jaum Kippurim und Leiden vollends gesühnt werden, aber von Chillul Haschem spricht die Schrift: »nicht werde euch gesühnt diese Sünde bis ihr sterbet!« (‏יומא‎ 86.) Jeder der den Namen Gottes, wenn auch nicht öffentlich, entweihet, erhält seine Vergeltung öffentlich, gleich ist’s bei Entweihung des göttlichen Namens, ob sie aus Unbedacht oder ans Mutwillen geschehen; und nicht geborgt wird die Strafe für solche Entweihung.« (‏אבות‎ 4, 5. ‏קידושין‎ 40.) Und wahrlich, wenn du den Namen Gottes trägst und dein Leben entweihet diesen heiligen Namen, daß man dein unwürdiges Leben als verträglich mit, als gebilligt gar von dem göttlichen Willen wähnt, so muß ja deine Vernichtung zeigen, daß dein Leben Höhnung Seines Willens sei, und somit wiederherstellen die Anerkennung des Allerheiligen, die du mit Füßen getreten. Und mit Unbedacht wolltest du dich entschuldigen, wenn du dem Namen Gottes Entweihung gebracht? Durftest du denn bedachtlos sein, wo es das Höchste gilt? Ist nicht daß du aus Unbedacht den Namen Gottes entweihen konntest selbst ein Zeichen, daß dir das Allheilige nicht wichtig, nicht das Wichtigste, das Höchste nicht sei, da du seiner vergessen konntest; und ist so nicht Unbedacht selber Entweihung des Heiligen, selber Verbrechen?

§. 615. Ist aber Jissroel Träger des Allerheiligsten und wird der Name Gottes entweihet wenn irgendwo in Jissroel das Allerheiligste nicht heilig, nicht als das Höchste geachtet wird, dem alles Andere unterzuordnen ist -: so kann auch deine Einzelreinheit nicht dein Ziel sein, so ist es nicht genug, deine einzelne Lebensheiligkeit aus dem Schiffbruch der Verirrung zu retten, so lange du nicht Alles aufbietest, nimmer rastest und ruhest, bis auch in Jissroels Gesamtheit der Name Gottes würdig getragen werde, ausgelöscht seien alle verunzierenden Makel an Zijauns hehrer Tochter, und in Jissroels Kreisen überall der Alleine und Sein Wille als das Allerhöchste dastehe, für Den und Dessen Willen Denkmal und Zeuge zu sein Jissroels Beruf ist. Darum ist es nicht genug, daß du nicht entweihest den göttlichen Namen, »geheiligt will Ich werden in der Mitte der Söhne Jissroels!« fährt die Schrift fort, sollst durch dein Beispiel heiligen den Namen Gottes in Gemeinde deiner Brüder, durch dein Beispiel zeigen, und offen durch That bezeugen, daß Jissroels wahrer Sohn, daß Jissroejls wahre Tochter nichts Höheres haben, als Gott und Erfüllung göttlichen Willens, und sollst, wenn es gilt, solches Zeugnis gern und freudig mit deinem Leben besiegeln, indem du, wenn es sein muß, auch dein Leben hinopferst, um dir die Treue gegen Gott damit zu bewahren und deine Brüder zu gleicher Treue zu begeistern. Mehr wirkst du dann durch deinen Tod, als durch dein Leben, denn du hinterlässest einer Gemeinde Jissroels ewiges Muster der Treue, an dein noch späteste Enkel sich zur Lebensheiligkeit erheben. — Opferst du dich aber hin zur Heiligung des göttlichen Namens, so erwarte nicht ein Wunder zu deiner Rettung; stelle es in Gottes Hand, der allein abzuwägen weiß, was wertvoller ist, solch gegenwärtiger Tod, oder dein noch übriges Leben. — (Siehe Kap. 9. §. 63—67 und ‏אמור‎ ספרא.)

So achtet denn Meiner Gebote
und führet sie aus,
Ich, Haschem!
Entweihet nicht meinen heiligen Namen!
Geheiligt will Ich werden
in Mitte der Jissroelssöhne,
Ich, Haschem berufe zur Heiligkeit euch,
der Ich euch führe aus dem Lande Mizrajim,
damit Ich euch Gott sei,
Ich, Haschem! —