Selbstbearbeitung. (התקדשות) Kapitel 14

Und nun, Jissroel!
Was ist’s, das Haschem dein Gott
fordert von dir?
als nur zu fürchten Haschem deinen Gott, zu gehen im All seiner Wege und Ihn zu lieben,
und zu dienen Haschem, deinem Gott,
mit dem All deines Herzens und mit dem All deiner Seele;
auf daß du achtest der Gebote Haschems und seiner Gesetze,
zu denen ich dich heute verpflichte,
auf daß es dir gut sei.
Siehe! Haschem, deinem Gotte,
sind die Himmel und der Himmel Himmel,
die Erde und das All, das in ihr; —
nur an deinen Vätern fand er Wohlgefallen sie zu lieben
und wählte nun ihre Nachkommen nach ihnen,
Euch, aus dem All der Völker, wie diesen Tag.
So beschneidet denn das Üppige eures Herzens
und euren Nacken lasset nicht mehr hart sein. (V, 10, 12—16.)
— — —
denn Ich, Haschem sei euer Gott; —
erstrebet Euch Heiligkeit, so werdet ihr heilig werden,
denn heilig bin Ich — — — (III, 11, 44.)
Erstrebet Euch die Heiligkeit, so werdet Ihr heilig, denn Ich, Haschem, bin Euer Gott. (III, 20, 7.)

§. 106. Erkenne, Jissroels Sohn, und Tochter Jissroels erkenne deinen Beruf in dem, was Haschem, dein Gott, von dir fordert, — und mache dich tüchtig ihn ganz zu erfüllen. — Diese Tüchtigkeit besteht aber nicht sowohl im Besitz äußerer Mittel, nicht im Besitz der Kenntnisse, nicht im Besitz von Kunstfertigkeit, besteht ganz vorzüglich in Herzensreinheit und in Gesinnungslauterkeit und in Strebensheiligkeit; besteht ganz vorzüglich darin: daß Herz und Gesinnung frei seien von allem, was sich stelle zwischen deinen Beruf und dich, und versehen seien mit aller Kraft der Lebensweihe, die dein Beruf fordert. — Sieh! mein Sohn, meine Tochter, sieh! dazu genügt es nicht, nur so geradezu ins Leben hineinzuleben, und höchstens den Wunsch mitzubringen, auch gut zu leben; dazu müßt ihr erst selber euch bearbeiten, daß ihr auch gut leben könnet, — sonst bleibt der Wunsch nur Wunsch — und hört unter allen Wünschen dann auch am ersten auf — selbst nur Wunsch zu sein. —

§. 107. Woran es da am meisten ankomme, lehrt euch Gottes Lehre selber: Beschneidet das Üppige eures Herzens, und brechet den starren Hochmut eures Sinnes — und dann erstrebt euch die Heiligkeit — Ihr habts schon erkannt, Tha-awoh und Ga-awoh, Gelüst und Stolz sind die Eltern jeder Sünde, sind die Feinde eures Berufs; sie trägt jeder in sich, — der eine viel, der andere wenig, — der eine bewußt, unbewußt der andere; — sie bekämpft, sie bekämpft, sie rottet aus mit letzter Wurzelfaser. Das ist die Arbeit, zu der diese Thauroh euch ruft; und dann — in das lichtgeräumte Feld, pflanzet ein die Heiligkeit, die euer ganzes Wesen zum Gottesdiener weiht.

§. 108. Dazu gehört zuerst: Selbstkenntnis, daß ihr euch selber kennet, Herz und Gesinnung kennet, und, ohne Täuschung, selber wisset, wie viel Gelüst und Hochmut darin hause, und wie und wo sie sich am meisten zeigen; daß euch kein Winkelchen eures Innern fremd bleibe. Dann habt den festen, festen Willen, euch zu befreien von solchen Leben tötenden Feinden. Seiet stets aufmerksam auf euch selber, wachet über jede Herzensregung und unterdrücket jeden unlauteren Wunsch im Aufkeimen; wachet über eure Gesinnung, und beuget alles Stolze, brechet alles Starre. Setzet euch selber Aufgaben; selbst Erlaubtes versaget euch zur Übung, über eure Pflicht zu leisten spornet euch; — auf daß es euch leicht werde Verbotenes zu meiden und eure Pflicht zu erfüllen. Und jeden Tag beschließet mit Selbstprüfung wie euer Herz und eure Gesinnung gewesen den Tag über; ob ihr fort- oder rückgeschritten, — reiner euer Herz, bescheidener euer Sinn geworden, oder üppiges Unkraut im Herzen aufgeschossen und starrer ihr geworden seiet. Täuschungslos, streng und unbestechlich seiet euer eigener Richter, verzeihet, entschuldigt euch nichts; und erneuet immer den Entschluß zum »Vorwärts« für morgen. —

§. 109. Aus der Thauroh erschaue sich jeder sein Bild, was und wie er mit seinen Fähigkeiten, Anlagen, Kräften, in solcher Umgebung, auf dem Fleck und in der Zeit sein könnte, sein müßte. Dieses heilige Vorbild schwebe ihm stets vor Augen, sei Ziel seines Wünschens und Strebens, — sei Muster, mit dem täglich das nun wirklich gelebte Leben verglichen werde. Was vor dem Geist dieses Bildes als üppiger, unlauterer Herzensaufschuß erscheint, werde zurückgedrängt, ausgerottet; was starr in dieses Bildes Form sich nicht fügt, werde gebrochen. — Was ihr schon errungen, sei euch nichts — sei euch nur Bürgschaft, daß mehr ihr werden könnet; — und immer vorwärts locke euch euer selbsterschautes, heiliges Vorbild. —

§. 110. Früh, schon im Knaben und Mädchen, muß dieses Leben mit sich selber, dies Bearbeiten des innern Selbsts beginnen, wo noch jung ist das Unkraut, wo erst sich härtet der Nacken, — und enden — mit dem Tode. Wer nicht früh schon sich übt in diesem innern, nur von Gott geschauten Umgang mit sich selbst, — den faßt des Lebens Zerstreuung, und er geht von der Wiege bis zum Grabe — und hat, ach, sich im Leben — das Leben nicht errungen. — — —

§. 111. Es ist schwer? Ja, freilich ist es schwer, — aber, wie dem Unlauteres Erstrebenden Thür und Thore offen stehen, — also hilft Gott selber dem, der Lauterkeit anstrebt Wollet nur, wollet nur ernstlich euch Heiligkeit erstreben; so werdet ihr auch heilig werden, denn Ich, Haschem, bin ja euer Gott, — also lautet unserer Lehre Ruf. — Und dann? wie? daß ihr euer Brot habet, leiblich nicht sterbet, dafür rüstet ihr euch emsig und früh mit Kenntnis und Fertigkeit; daß ihr aber mit diesem leiblichen Leben nicht dennoch tot seiet, tot eurem Lebensberuf, tot eurem wahren Leben, in Jissroelgeist und Jissroelwandel, — eurem Gott tot seiet — da wollt ihr sprechen von Schwierigkeiten und Mühe?? — Ist’s ja euer Beruf, zum Segen zu fördern und zu hüten jedes Wesen, das in euren Kreis Gott setzt; wohlan, mit eurem eigenen inneren Selbst beginnet solch Segenswirken. —

§. 112. Hören wir nun noch den Sohn Joirs, wie er, der selber hohe Stufe der Jissroelsgröße erstiegen, uns die Staffeln bezeichnet, die allmälig hinaufleiten zu dieser innern Höhe. Thauroh, also sind seine Worte, führet zur Achtsamkeit, diese zur Rüstigkeit, diese zur Schuldlosigkeit, diese zur Enthaltsamkeit (Meiden der Schuldgrenze), diese zur Reinheit, diese zur Heiligkeit, diese zur Demut, diese zur Sündenfurcht, diese zu heiliger Gottesbegeisterung, diese zur Liebeshingebung (Chaßiduß). Und der Sinn; Kenntnis des in der Thauroh ausgesprochenen Lebensberufs bringt zuerst Bewußtsein des Guten und Bösen, und somit ersten Anstoß das Böse zu meiden und das Gute zu erstreben, jenes: Achtsamkeit, dieses: Rüstigkeit. Achtsamkeit, die Hut vor dem Bösen, entwickelt sich zuerst in Schuldlosigkeit, daß du im Leben meidest jede wirkliche Schuld, das Böse nicht That werden lassest; dann in Enthaltsamkeit, noch immer im äußeren Leben, selbst die Nähe des Bösen meidest und dich selbst des Erlaubten enthaltest, wenn es nahe an Unerlaubtes grenzt; dann wird’s erst innere Aneignung in Herzens- und Sinnes-Reinheit, daß du auch nicht einmal Regung und Gedanken des Bösen aufkommen lassest; — dann Heiligkeit, wo erstorben ist alle unerlaubte Tha-awoh; — und dann Demut, wo erstorben ist jede Ga-awoh, und du, dich selber aufgebend, nur den Anspruch Gottes und der Welt an dich kennst; — gewinnst dann Kraft in Sündenfurcht, daß du so, über alle Selbstrücksicht erhaben, nur die Sünde fürchtest; — Begeisterung, daß du auf solcher Höhe begreifest das Leben und sein Ziel, jeden Moment überschauest, und, von Gott erleuchtet, das Gute und Heilbringende in ihm erkennest; — — und wirst in solcher Kraft, mit solchem Geiste: Choßid, ein Mensch, der, für sich nichts seiend, alles für andere ist, und nur dem Heile des ihn umgebenden Kreises der Welt lebt. — — Bemerke hier ein Zwiefaches: 1) wie jede Staffel der innern Tüchtigkeit durch That-Übung im äußeren Leben — durch Thun und Lassen, erstiegen wird; — 2) wie P’rischuß (‏פרישות)‎ Enthaltsamkeit, nur erst eine sehr frühe äußere Staffel zum Chaßiduß, der höchsten, ist; und spiele nicht mit dem Namen »Choßid«, daß du ihn Männern zuerkennen wolltest, von denen du nur P’rischuß kennst, die, wie bemerkt, selbst wo sie rein ist, nur Schülerstaffel ist zur Meisterschaft des Lebens, zum Chaßiduß; geschweige denn, wo du selbst P’rischuß nicht gewahrst, und nur Heiligkeitsgebärde siehst. —