פרשת צו‎ - Die Weihe zum Priesterdienste

»Und Moses legte den Priestern von dem Blute des Opfers auf das Knorpel des rechten Ohres, auf den Daumen ihrer rechten Hand und auf die große Zehe ihres rechten Fußes.«

Die Stiftshütte stand nun fertig mit ihren heiligen Geräthen; auch die sinnbildreichen Amtsgewänder der Priester waren fertig; die wichtigsten Opfergesetze waren verordnet und dem Volke genau und umständlich mitgetheilt. Die Priester konnten nun ihre Amtsverrichtungen, die Pflichten und Obliegenheiten, die sie, Gott und ihrem Volke gegenüber auf sich zu nehmen hatten. Es fehlte jetzt nur noch Eines — die feierliche Einweihung des Tempels und der Priester.
Wir sehen diese im heutigen Schriftabschnitte, am Eingange der Stiftshütte, in Gegenwart der versammelten Gemeinde Jsraels vor sich gehen.
Heben wir nun hier aus diesem feierlichen Weiheakte einen Moment hervor, bei dem die sinnbildliche Bedeutung sowie die Anwendung und Beziehung aufs heutige Leben, am meisten in’s Auge fällt, und am klarsten und deutlichsten hervortritt. Nachdem nämlich Moses Alles gesalbt und geheiligt, sowie die Weiheopfer gebracht hat, nimmt er von dem geheiligten Blute dieses Opfers und legt es den Priestern .
auf das rechte Ohr,
auf die rechte Hand,
und auf den rechten Fuß. —

Ohr, Hand und Fuß sollen von nun an geweihet sein zum Dienste des Heiligen!
Nun wie, die Anwendung auch auf dein Leben, Sohn der Neuzeit, läge hier nicht klar und offen auf der Hand?

Ι. Das Ohr vor Allem soll geheiligt sein, nur zu hören auf das Wort der Wahrheit, nur zu horchen auf die Lehre der Weisheit, nur zu lauschen auf den Unterricht der Tugend und Gottesfurcht! Das Ohr ist ja die Pforte des Herzens, die Eingangsthüre zur Seele. ‏כי אזן מלין תבחז וחך יטעם לאכל. — So wie der Gaumen die Speise hinabträgt in den Magen, daß sie dort in Saft und Blut übergehe, so trägt das Ohr die Worte zur Seele hinab, daß sie dort sich einprägen und eingraben zum bleibenden Gedenken.
O, so trachte, daß dein Ohr nur edle, fromme und heilige Worte deiner Seele überliefere!
Früher, wenn ein Sohn Jsraels zum Knechte sich verkauft hatte, bis zum Jobeljahre hin, dann wurde ihm das Ohr mit einer Pfrieme durchbohrt. Dies erklärt ein Rabbi also: Das Ohr desjenigen, der am Sinai gehört hatte: Mir sollen die Kinder Israel dienen — er aber hat zum irdischen Knechte sich verkauft, dessen Ohr verdient mit Recht durchbohrt zu werden.
Drei Pforten, sagen unsere Alten, gibt es, die zur Hölle hinunterführen. Solche drei Pforten trägt jeder Mensch an sich selber. Die eine Pforte ist der lüsterne Mund; die zweite Pforte ist das Auge, das den verführerischen Reizen der Sünde offen steht; die dritte Pforte ist das Ohr, das den Locktönen des Lasters sich hineigt. ‏לפתח חטאת רובץ‎.‎ An dieser Pforte lauert die Sünde und harret auf einen unbewachten Augenblick, um sich einzuschleichen in die Seele.
Hat Gott die Pforten, die zum Paradiese führen, sorgfältig bewacht, die Cherubim mit ihren flammenden Schwertern hingelagert; wie nun erst sollen wir die Pforten, die zur Hölle führen, bewahren und bewachen. —
Darum hatte Moses den Priestern das Ohr geweihet.

ΙΙ. Und dann die Hand — daß sie nur Edles wirke, Handlungen der Gerechtigkeit, Thaten der Menschenliebe verübe; was im Herzen als frommes Gefühl, was im Geiste als heiliger Gedanke ruht, dem durch die Hand lebendigen Ausdruck gebe. Was sind Herz und Geist ohne Hand? Was sind Gefühl und Gedanke ohne die That? ‏יהכל לפי רוב המעשה‎ Was nützen die frömmsten Gefühle, was fruchten die edelsten Gedanken, wenn sie nicht in Thaten sich ausprägen? ‏והיה מעשה הצדקה שלום.‎
Die Engel, die Jecheskel in der prophetischen Erscheinung gesehen, die hatten unter ihren Flügeln Händel1) — und will der Mensch zum Engel sich erheben, dann genügen auch nicht die bloßen Flügel, die Engelsfittige, die die Glaubensbegeisterung ihm ansetzt und mit denen er über die Erde sich erhebt; sondern ihm thun dann auch die Hände noth, die milden, menschlichen Hände, mit denen er auf der Erde segenvoll, thatkräftig und edelsinnig wirkt. ‏ויהי ידיו אמונה.‎ »Ja den Händen liegt der Glaube.« —
Darum hatte Moses den Priestern die rechte Hand geweihet. —

ΙII. Und endlich den Fuß — damit er kräftig auftrete; nicht wanke und schwanke, bald hierhin und bald dorthin; damit er fest und entschieden dastehe, und festen, entschiedenen Schrittes auf dem Wege des Rechts und der Wahrheit einherschreite; durch Nichts zum Weichen und Ausbiegen gebracht werde, nicht um eine Linie weit, weder nach Rechts noch nach Links hin, sondern immer in der goldenen Mittelstraße bleibe; keinen Schleichweg und keinen Krummpfad einschlage, sondern immer gerad und offen auf der Königstraße einhergehe.
‏ ורגליהם רגל ישרה.
‎— sagte Jecheskel ebenso von den Engeln, ‎die er gesehen, »ihr Fuß ging geraden Schrittes.« Es gilt dies von‏ ‎den Menschen wieder ebenso wie von den Engeln. —‏
‎Darum hatte Moses den rechten Fuß der Priester geweihet.

‎Doch wie, galt dies etwa nur für die alten Priester in Israel? Nein! es gilt für Jeden; der sein Leben dem Dienste des Guten und Heiligen widmen will. Es gelte darum auch für dich, o mein Leser; denn wer wollte sein Leben und seines Lebens Kraft und seines Herzens Begeisterung nicht dem Dienste des Guten und Heiligen widmen!
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1) Jechesk. 1, 8: ‏ױדי אדם מתחת כנפרהם