Abschnitt 12. Wie man beide Parteien zum Vergleich bewegt, wenn eine von ihnen halsstarrig und die andere sanft ist

§ 1. Wenn zwei Personen vor dir erscheinen, die eine ist halsstarrig, die andere sanft, so kannst du (der Richter) so lange du sie nicht vernommen hast und so lange du noch nicht weißt, auf wessen Seite sich das Recht neigt, zu ihnen sagen: Ich will mich nicht mit eurer Sache befassen; denn der Halsstarrige könnte schuldig befunden werden und dich dann verfolgen. Hast du sie aber vernommen und weißt du auch, auf wessen Seite das Recht ist, dann musst du die Sache vornehmen; bist du aber von der Gemeinde eingesetzt, so musst du dich der Sache unterziehen, auch wenn sie beide halsstarrig, unmoralisch sind; aber in jetzigen Zeiten muss man mit den Sündern gelind verfahren, sie könnten sonst die Verräter machen bei der nichtjüdischen Regierung. 8

§ 2. Gleich bei Beginn der Gerichtsverhandlung müssen die Richter die Parteien fragen, ob sie sich nicht lieber vergleichen wollen, sind sie damit zufrieden, so müssen die Richter einen Vergleich zu Stande zu bringen suchen und müssen hierbei unparteiisch zu Werke gehen. Ein Gericht, welches sich bestrebt, die Beteiligten zu vergleichen, ist lobenswert; ist aber das Urteil schon ausgesprochen, so darf der Richter keinen Vergleich mehr machen, wohl aber kann ein anderer, der kein Richter ist, außerhalb des Gerichtes einen Vergleich zwischen ihnen zu Stande bringen. Hat das Gericht dem einen einen Eid zuerkannt, so ist es erlaubt, um sie nicht schwören zu lassen, auch nach gesprochenem Urteil einen Vergleich zu Stande zu bringen. Das Gericht kann niemand zwingen, gegen seinen Gegner milder, als das Recht ist, zu verfahren, wenn auch dem Gerichte dies billig erscheint. Einige Rabbiner streiten dagegen.

§ 3. Dem Gerichte ist es erlaubt, von dem Gelde der Waisen etwas zu vergeben, wenn sie dadurch einen Prozess vermeiden können. (Siehe Abschnitt 110.)

§ 4. Das Gericht hat die Macht, durch die Strafe des Bannes festzusetzen, dass ein Vergleich, den es zum Besten der Waisen gemacht hat, von diesen, wenn sie erwachsen sind, nicht wieder umgestoßen werde.

§ 5. Sobald das Gericht einsieht, dass die Sache so verwirrt und unklar ist, dass es durchaus nicht möglich ist, ein bestimmtes Urteil nach dem Gesetz darüber zu sprechen, so ist es berechtigt, das Urteil mit einem Vergleich zu beschließen (gegen den Willen der Parteien) oder in einen Vergleich umzuwandeln, denn ein bestimmtes Urteil muss immer dem Gesetze gemäß sein.

§ 6. Wer um Geld verklagt wird, das er im Besitz hat, darf keine Winkelzüge machen, um dadurch zu entschlüpfen und seinen Gegner zu bewegen, einen Vergleich mit ihm einzugehen.

§ 7. Wenn die Parteien auch in einen Vergleich bei Gericht eingewilligt haben, so können sie doch wieder davon zurückgehen, so lange der Vergleich nicht durch einen Mantelgriff bekräftigt worden ist; dann aber nicht mehr und wenn der Mantelgriff auch nur in Gegenwart eines einzigen Zeugen geschehen ist. Einige aber wollen, er müsste vor zweien geschehen sein oder es müsste etwas Schriftliches darüber ausgemacht sein. (Siehe Abschnitt 203).

§ 8. Zur Erlassung irgendeiner Schuld bedarf es keines Mantelgriffes. (Sieh Abschnitt 241).

§ 9. Wenn Zwei einen Vergleich, wobei noch eine Strafe von 50 Gulden stattfand, durch einen Mantelgriff angenommen haben, so darf der eine nicht sagen: Die Strafe will ich bezahlen, ich will aber den Vergleich nicht halten.

§ 10. Ein Vergleich, der angenommen ist, muss gleich vollzogen werden und keiner der Beteiligten kann vorgeben, er wolle erst deshalb nochmals zitiert werden.

§ 11. Wenn A. dem B. droht, er wolle ihn verraten, wenn er ihm das Geld, worum sie prozessieren, nicht gebe, obwohl er von Rechts wegen gar keine Forderung hat und sie haben sich darüber verglichen und sich auch gegen alle Einwendungen verwahrt, so kann B. doch zurücktreten.

§ 12. Wenn sich zwei um die Grenze eines Grundstückes gestritten und ohne Mantelgriff sich verglichen haben und beide haben schon angefangen, etwas zu bauen, so können sie von dem Vergleich nicht wieder zurücktreten.

§ 13. Ein Vergleich ohne Mantelgriff, worüber aber etwas Schriftliches gemacht worden ist, kann gleichfalls nicht wieder rückgängig gemacht werden.

§ 14. Wenn jemand leugnet, dass ihm etwas zur Aufbewahrung übergeben sei und der Kläger hat sich mit ihm verglichen und Verzicht darauf geleistet, hat aber nachher Zeugen für seine Forderung gefunden, so gilt der Vergleich nicht.

§ 15. Ebenso wenn sich jemand vergleicht, weil er keine Beweise und nichts Schriftliches für seine Forderung hatte, in der Folge aber dergleichen beigebracht hat.

§ 16. Über eine Vergleich, der unrichtig oder irrtümlich gemacht ist. (Sieh Ende Abschnitt 25.)

§ 17. Wenn jemand seinem Nächsten von Gerichts wegen einen Eid schuldig war und der Kläger hat ihm denselben auf sein Bitte mündlich erlassen, so kann er nicht wieder davon zurückgehen.

§ 18. Wenn bei einer Sache mehrere da sind, die sich vergleichen wollten, so sind die Meinungen der Rabbiner geteilt, ob es nach der Stimmenmehrheit geht oder ob sie alle mit dem Vergleich zufrieden sein müssen.

§ 19. Ein Vergleich ohne Mantelgriff, 9 selbst wenn beide Parteien zur Sicherheit den Personen, die den Vergleich zu Stande gebracht, Pfänder gegeben haben, gilt nicht, man müsste denn dabei gesagt haben: nicht zum Schein oder die Worte: von jetzt an; das Pfand darf aber nicht in irgend einer Schuldverschreibung bestehen.

§ 20. Die Richter müssen sich auf alle mögliche Weise vorbehalten, sich nicht zu verpflichten, nach der Strenge der Gesetze zu urteilen (weil diese Wissenschaft sich mehr und mehr verloren hat; siehe jerusalem. Talmud, Tractat Sanhedrin, fol. 18).