KAP. 28. WAJEZE - בראשית כח ויצא von Rabbi Samson Raphael Hirsch

ויצא

Kap. 28. V. 10. So ging Jaakob fort von Beer Scheba und ging gen Charan. 11. Da traf er den Ort und übernachtete dort weil die Sonne untergegangen war, nahm von den Steinen des Ortes, stellte seine Kopfumgebung zurechte und schlief an diesem Ort. 12. Er träumte und siehe da, eine Leiter — gestellt zur Erde — und ihre Spitze reicht in den Himmel; und siehe da, Engel Gottes — steigen hinauf und steigen hinab wider ihn; 13. und siehe da, Gott — steht bei ihm und spricht: Ich bin Gott, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Jizchak’s; das Land, auf dem du schläfst, gebe ich dir und deinem Samen. 14. Es wird dein Same wie Staub der Erde und du breitest dich aus gen Westen und Osten, gen Norden und Süden; und es werden durch dich alle Familien der Erde gesegnet werden und durch deinen Samen. 15. Und siehe, Ich bin mit dir, und werde dich schützen in Allem, wo du gehst, und werde dich zu diesem Boden zurückbringen; denn ich werde dich nicht verlassen, bis daß ich vollbracht habe, was ich dir verheißen. 16. Da erwachte Jaakob von seinem Schlafe und sprach: In Wahrheit, Gott ist an diesem Orte! Und ich habe es nicht gewusst! 17. Da fürchtete er und sprach: Wie furchtbar ist dieser Ort! Nichts anders ist dies, als: Gottes Haus! Und dies eine Pforte zum Himmel! 18. Früh am Morgen stand Jaakob auf und nahm den Stein, den er sich zu Kopf gesetzt hatte, und setzte ihn zum Denkstein, und er goß Oel auf dessen Spitze, 19. und nannte den Namen dieses Ortes Beth-El; freilich früher war der Name der Stadt Lus. 20. Da that Jaakob ein Gelübde, also: wenn Gott mit mir sein wird, und wird mich auf diesem Wege, den ich gehe, bewahren, und wird mir Brod zu essen und Gewand zur Bekleidung geben, 21. und werde ich in Frieden zu dem Hause meines Vaters wiederkehren: so soll Gott mir Gott sein, 22. und dieser Stein, den ich zum Denkstein gesetzt, soll zu einem Hause Gottes werden, und Alles, was du mir geben wirst, werde ich dir wiederholt verzehnten.


V. 10. Obgleich es schon oben V. 5. heißt: ‏,ױלך פדנה ארם‎ so wird doch hier mit diesem Ausgang aus väterlichem Hause wieder begonnen, weil eben damit die selbstständige Geschichte Jakob’s sich einleitet.

Wenn Abraham die Wurzel des jüdischen Volkes ist, Jizchak die Fortsetzung zum Stamm, so ist Jakob der eigentliche Stamm selbst. Darum sprach auch Jizchak zu ihm: ’‎‏.ויתן לך את ברכת אברהם וגו Ist ja Jakob Derjenige, der dem künftigen Volk Namen und Geschick vererben soll. Wir heißen nicht Abraham’s Volk, sondern: Jisrael! Jakob sehen wir daher wie Abraham ein zweites ‏לך לך‎ erfüllen, sehen ihn, unsern nächsten Stammvater, aus den die ganze Geschichte von Abraham bis Jizchak hingearbeitet hatte, gleichfalls isolirt hinausziehen; jedoch ganz anders als Abraham. Abraham zog freilich in die Isolirung aus der Heimath; aber als Hausherr, mit Weib und Genossen, Verwandten und Vermögen. Jakob aber sehen wir durch Verhältnisse bewogen freiwillig hinauszuziehen, ohne das Mindeste mit sich zu nehmen. Er ließ vielmehr Alles dem ältern Bruder zurück, damit dieser erkennen konnte, es habe sich bei der ‏בכורה‎ um keinen materiellen Vortheil gehandelt.

Jakob zieht hinaus, um ein jüdisches Haus zu gründen, und nimmt dazu Nichts als sich, als das mit hinaus, was in seiner eigenen Persönlichkeit liegt — das ist das Faktum, mit welchem hier eingeleitet wird; denn Alles, was fortan folgt, bewegt sich nur um die Gründung des Hauses. War ja Jakob der Erste, der es aussprach, wie Gott vor allem im Hause zu suchen sei, der Erste, der den großen Gedanken dachte: ’‎‏,בית אלקים ,בית א Gottes Haus, der eben nichts anders sagt, als: daß der Kreis, wo die Menschenseelen keimen und blühen, wohin der Mensch das trägt, was er erwirbt und es in Menschenleben bauende Thätigkeit umsetzt, die größte und nächste Stätte der Gottesoffenbarung sei.

Was schon Noa bei der neuen Grundlegung der Menschengeschichte prophetisch geschaut, daß, wenn es der japhetischen Cultur gegeben ist, die Menschen für das Schöne zu gewinnen, und dadurch veredelnd auf sie einzuwirken, es Sem vorbehalten sei, »Hütten zu bauen, in welchen Gott wohnt«, das trat zuerst durch Jakob in die Verwirklichung ein. Wenn jüdische Weisen den großen, die ganze Weltanschauung umwandelnden Satz gesprochen: ‏,עיקר שכינה בתחתונים‎ die Haupt- und ursprüngliche Stätte der Schechina ist auf Erden; oder: wenn Menschen gottselig ihre Augen himmelwärts drehen, und meinen, Gott oben suchen zu müssen, lachen die Engel sie aus und nennen sie Distelköpfe (‏,ס”ח‎ 18.); oder: wer im Freien wandert und lernt, und sich von dem Lernen seiner Lehre unterbricht und spricht, wie schön ist dieser Baum, wie schön ist dieses Feld — wer also in der Anschauung der gotttreuen Entwickelung eines Menschen-Lebens nicht eine alles Andere verdunkelnd überstrahlende Herrlichkeit findet, so daß ihm dabei noch ein Auge für die Herrlichkeit der Natur bleibt — der hat fast sein Leben verwirkt (Aboth III 9.) — solche und ähnliche Aussprüche verdanken wir dem Geiste Jakobs. Unter dem Einfluß der japhetischen Cultur flüchtet man sich aus dem »prosaischen«, »gewöhnlichen« Leben in die »Poesie« der schönen Natur. Jakobs Erben finden Gott und alles Herrliche am Ersten und Nächsten im Hause. Das ist der Gegensatz jüdischen und nichtjüdischen Wesens.

So ging also Jakob von Beer Scheba nach Charan. ‏,באר שבע‎ das für Jizchak so bedeutungsvoll war, wo er innegeworden, wie mit ihm, wenn gleich nicht ‏,עבדות‎ so doch schon ‏גרות‎ begonnen, wo er aber, als er sich freiwillig isolirt hatte, nicht blos Ruhe, sondern auch Anerkennung gefunden, dieses Beer Scheba der Ruhe und der Ehren gab Jakob freiwillig auf und wanderte nach Charan.

V. 14. ‏,בך – ובזרעך‎ (ebenso zuvor ‏לך ולזרעך‎) »durch dich sollen alle Familien der Erde gesegnet werden und durch deinen Samen«. Ganz entschieden scheint hier der Segen, der von ihm ausgehen soll, ein doppelter zu sein. Kann ja überhaupt der Gesammtmenschheit Ein Mensch und Ein Volk nur durch geistige Einwirkung und durch eine mustergiltige Lebensentfaltung Segen werden, bis sich erfüllt ‏בימים ההמה אשר יחזיקו עשרה‎ ‏אנשים מכל לשונות הגוים והחזיקו בכנף איש יהודי לאמר נלכה עמכם כי שמענו אלקי’ עמכם‎ »in jenen Tagen, daß, wenn zehn Männer aus allen Zungen der Völker einen Halt suchen werden, sie einen jüdischen Mann an seinem Gewand fassen werden und sprechen, wir wollen mit Euch gehen, denn wir haben gehört, Gott ist mit Euch«. (Secharja 8, 23.) Ein solcher Segen soll Jakob als Familienvater und sollen seine Nachkommen als Volk werden. Jakob zeigt das erste jüdische Haus und lehrt, wie man ein Familienleben, ohne ‏,נחלת אבתיו‎ ohne ererbtes Vermögen, getragen von dem Segen und der Würde der ‏,מלאכה‎ der Arbeit, mit all seinen Sorgen, Blackereien und Bekümmernissen, bauen und durchleben könne, und doch ‏,ד’ נצב עליו‎ und doch Gott in seinem Leben nicht vermissen. Also: ein Familien- und Volksleben, rein getragen von der göttlichen Gnade und vollendet nach göttlichem Willen, das haben die Menschen von dir und deinem Samen zu lernen.