Salomos Tempelbau.

Nicht viel weniger als die Hälfte der Salomogeschichte im Königsbuche beschäftigt sich mit der Vorbereitung, Aufführung, Einrichtung und Weihe des Tempelgebäudes1). Der Chronist kann nicht umhin, auch David einen Teil des Verdienstes zuzuwenden; zwar lässt, seinem religiösen Standpunkt gemäss, Gott es nicht zu, dass David, an dessen Händen so viel Blut klebt, das Werk des Friedens baue2), und wo der Historiker des Königsbuches sich mit der Tatsache begnügt, dass David infolge seiner vielen Kriege den Tempelbau seinem Nachfolger überlässt3), ist bei dem Chronisten Salomo, der Friedensfürst, dafür prädestiniert4). Der fromme König hinterlässt seinem Sohne einen Schatz von weisen Vorarbeiten für das Heiligtum, mit denen er das Ende seines Lebens würdig ausgefüllt hat5). Er ist es, der für seinen noch allzu jungen und zarten Sohn6) das Baumaterial in unglaublichen Massen7) zusammengebracht, Priester und Leviten, Sänger und Beamte für den künftigen Tempel sorgfältig ausgewählt und unterrichtet8), der endlich sogar das Modell des Gebäudes S. übergeben hat9), so wie er selbst zuvor in der Ausführung des ganzen Planes von Gott handschriftlich unterwiesen worden ist10). Wie zu Moses Zeiten steuert das gesamte Volk bereitwillig zu dem heiligen Werke bei, und so darf David noch die Freude erleben, im Geiste den herrlichen Bau vollendet zu sehen11).
---
1) I Kö. V, 16 ff., VI, VII, 13 ff., VIII. — 2) I Chr. XXII, 7, XXVIII, 3. 3) II Sam. VII, 12 f. I Kö. VIII, 18 f. cf. I Chr. XVII, 4, 11 f., II Chr. VI, 7 ff. 4) I Chr. XXII, 8 f., XXVIII, 6. — 5) I Chr. XXII, 4. — 6) ib, — 7) I Chr. XXII, 13, 15. — 8) I Chr. XXIII—XXVI — 9) I Chr. XXVIII, 11 ff. — 10) ib. V. 19. — 11) I Chr. XXIX, 9, 17 ff.


Zur Verwirklichung des Planes bedurfte es naturgemäss einer ungewöhnlichen Anzahl von Arbeitern. Allein 30000 Fronarbeiter aus Israel, 70000 Lastträger, 80000 Steinhauer im Gebirge und 3300 Fronvögte wurden verwendet, wenn wir dem Königsbuche1) folgen. Die Chronik schweigt wohlweislich von der Aushebung der Fronarbeiter aus dem eigenen Volke und ergänzt ihre frühere zweideutige Angabe2) dahin, dass von 153600 Fremden 70000 zu Lastträgern, 80000 zu Steinhauern und 36003) zu Aufsehern über sie bestimmt wurden4).


1. Kapitel.
Der Bauplatz.

Beide Quellen stimmen darin überein, dass David die Bundeslade nach der Davidsstadt d. i. nach dem Zion überführt5) und dass S. sie später von dort in das Allerheiligste des Tempels auf dem Moria6) hat bringen lassen7). Aber die Chronik sucht nach einem Motiv, warum S. den Tempel gerade auf dem Moria erbaut hat; da bietet ihr die Geschichte von der Volkszählung unter David und ihren Folgen eine willkommene Handhabe. Im zweiten Buche Samuel8) lesen wir, wie David, von Gott versucht, angeblich wider das göttliche Gebot sein Volk zählen lässt, wie zur Strafe dafür eine Pest in Israel wütet, der Gott erst Einhalt gebietet, als der Todesengel bei der Trenne des Jebusiten Arawna9)
---
1) 1 Kö. V, 27 ff. — 2) II Chr. II, 1.
3) Hier gibt wohl das Königsbuch mit ‏שלש‎ die richtigere Zahl, das ל scheint ausgefallen, während sonst öfter die Chronik uns ermöglicht, die korrespondierenden Texte in dem Samuelbuche und in den Königsbüchern zu berichtigen.
4) II. Chr. II, 16f. — 5) 11 Sam. VI, 12 ff. I Chr. XIII, XV, 1—3, 25 ff. XVI.
6) Dieser Name findet sich übrigens nur II Chr. III, 1 und in der Geschichte von Isaaks Opferung, die an den Tempelberg anknüpft (Gen. XXII, 2).
7) I Ko. VIII, 1 ff. II Chr. V, 2ff. — 8) cap. XXIV.
9) Die Schreibung des Namens schwankt. I Chr. XXI und II, 3 V. 1 hat אָרְנָן, dagegen II Sam. XXIV: אֲרַונָה, im Ketib auch אֲרַיְנָה od. ‏ארִנְיָה‎ (ib. V. 18) und הָאֲנִרְנָה (ib. V. 16). In der späteren jüdischen Literatur ist es dann bei ארנן geblieben.