V. 16. Sein Gaumen Süßigkeiten
V. 16. Sein Gaumen Süßigkeiten.
Gibt es wohl größere Süßigkeiten, als die Worte Am. 5, 4: ,,So spricht der Ewige zum Hause Israel: suchet mich, so werdet ihr leben?“ und gibt es wohl einen Gaumen, der größere Süßigkeiten fließen ließe, als der da spricht Ezech. 33, 11: „Bei meinem Leben! spricht der Ewige, Gott, ich habe kein Wohlgefallen am Tode des Frevlers“ u. s. w.? Oder gibt es ferner wohl einen süßeren Gaumen, als der da spricht das. 18, 23: „Habe ich denn Wohlgefallen am Tode des Frevlers? spricht der Ewige, Gott, und nicht vielmehr daran, dass er sich kehre von seinem Wandel und lebe?“ Oder gibt es einen süßeren Gaumen, als der da spricht s. das. V. 27: „Wenn aber der Frevler sich kehret von seinem Frevel, den er geübt, und übet Recht und Gerechtigkeit, so wird seine Seele leben?“ Gibt es also einen süßeren Gaumen als diesen? Resch Lakisch sagt: Er muss aber die früheren Sünden bereuen. Wie so? Von R. Simeon ben Jochai ist gelehrt worden: Wenn ein Mensch in seinem Leben (in seinen Tagen) ein vollkommner Frevler war, am Ende aber ein vollkommner Gerechter wird, so sagt die Schrift über ihn Ezech. 33, 12: „Und durch seinen Frevel wird der Frevler nicht stürzen am Tage, wo er sich bekehrt von seinem Frevel.“ Und nicht nur das, bemerkte R. Jochanan, sondern alle die Vergehungen, die er begangen, rechnet ihm Gott zu seinen Gunsten. Das steht auch Ps. 45, 9: „Myrrhe und Aloe und Kasia sind all deine Kleider“ d. i. alle deine Treulosigkeiten, welche du gegen mich begangen, sind wie Myrrhe und Aloe vor mir. Es ist gelehrt worden: Im wievielten Jahre seines Lebens erkannte Abraham seinen Schöpfer? Nach R. Chanina und R. Jochanan geschah es im 48. Jahre, nach R. Simeon ben Lakisch im 3. Jahre, denn das Wort bqi Gen. 26, 5 hat 172 in der Zahl (und Abrahams Alter war 175 Jahre). R. Levi sagte: Es geschah zurzeit, sobald er die Ferse von der Erde erheben konnte (in so zartem Kindesalter, da er gehen konnte). Nach R. Samuel bar Nachman rechtete Gott an drei Orten mit Israel. Die Völker der Welt empfanden darüber eine große Freude und am Ende gingen sie beschämt davon. 1) Als der Prophet Jesaja zu ihnen sprach s. Jes. 1, 18: „So kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der Ewige“, da freuten sich die Völker der Welt und sprachen: Wie können sie mit ihrem Schöpfer rechten? Wer vermag das? Jetzt wird er sie von der Welt vertilgen. Als Gott diese Freude der Völker der Welt sah, gab er der Sache eine günstige Wendung mit den Worten s. das.: „Wenn eure Sünden gleich blutrot sind, so sollen sie doch schneeweiß werden“ u. s. w. Die Völker der Welt wunderten sich und sprachen: ist das auch eine Antwort (auf das Vorhergehende: ,,wir wollen rechten“), dass er sagt: „eure Sünden sollen weiss werden, sie sollen euch verziehen werden? und ist das eine Zurechtweisung (ein Tadel)? Er treibt nur Scherz mit den Kindern. 2) Als Gott sprach Mich. 6, 2: „Höret ihr Berge den Rechtsstreit des Ewigen, samt den starken Grundfesten der Erde, denn der Ewige will mit seinem Volke streiten, mit Israel rechten“, da freuten sich die Völker der Welt und sprachen: Wie können sie sich mit ihrem Schöpfer in einen Streit einlassen? Wer kann es? Jetzt droht ihnen der Untergang. Als Gott aber die Freude der Völker der Welt sah, wandte er es ihnen zum Guten, wie es heißt s. das. 3 u. 5: „Was habe ich dir getan, mein Volk? und womit habe ich dich belästigt? Antworte mir! Mein Volk! gedenke doch, was Balak, König von Moab, ratschlagte, und was ihm Bileam, der Sohn Beors, antwortete. Die Völker staunten und sprachen: Was ist das? er treibt nur Scherz mit seinen Kindern. 3) Als der Prophet Hosea die Mahnung vernehmen ließ s. Hos. 12, 3: „Ein Rechtsstreit ist dem Ewigen mit Juda, dass er an Jacob ahnde seinen Wandel, nach seinen Handlungen wird er ihm vergelten“, da freuten sich die Völker der Welt und sprachen: Wie werden sie vor ihrem Schöpfer bestehen können, wer wagt es, mit seinem Schöpfer zu streiten? Jetzt wird er sie aus der Welt vertilgen. Als Gott die Freude der Völker der Welt sah, wandte er es ihnen zum Guten und sprach s. das. V. 4: „Im Mutterleibe überlistete er seinen Bruder und mit seiner Kraft kämpfte er mit Gott.“
Letzteres kommt mir so vor, sagte R. Judan, wie jene Witwe, die ihren Sohn bei dem Richter anklagen wollte. Als sie den Richter sah, dass seine Urteile auf Feuer und Pech gingen und auf Stockschläge, sprach sie: Ich trage dem Richter die üblen Taten meines Sohnes nicht vor, er könnte ihn sonst hinrichten lassen. Als der Richter seine Sache erledigt hatte, fragte er sie: Ist das dein Sohn? Sodann fragte er: Was hat dein Sohn gegen dich begangen? Sie sprach: Mein Herr! er hat mich in meinem Leibe getreten. Hat er sich jetzt gegen dich vergangen? Nein, war ihre Antwort. Geh, sprach der Richter, hier liegt kein Grund zu einer Klage vor, denn es heißt: „Im Leibe fasste Jacob seinen Bruder.“ Ebenso hat Gott, sagte R. Eleasar bar Simon, unserm Vater Jacob Ehre erwiesen.
„Sein Gaumen ist Süßigkeiten.“ R. Asarja und R. Acha sagten im Namen des R. Jochanan: Als die Israeliten am Berge Sinai das Wort: „Ich bin“ hörten, floh die Seele von ihnen, wie Deut. 5, 22 geschrieben steht und was auch Cant. 5, 6 gesagt wird: „Meine Seele ging aus, als er mit mir sprach.“ Das Wort trat wieder vor Gott hin und sprach: Herr der Welt! du lebst ewig, dein Gesetz besteht ewig, abgesandt hast du mich an Tote. Darauf machte Gott ihnen das Wort süß s. Ps. 29, 4: „Die Stimme des Ewigen mit Kraft, die Stimme des Ewigen mit Majestät.“ R. Chama bar R. Chanina erklärte diese Stelle dahin: Die Stimme des Ewigen ist mit Kraft für die jungen Männer, sie ist mit Majestät für die Schwächlinge. Die Thora, welche Gott Israel gegeben, führte ihnen, wie R. Simeon ben Jochai sagt, ihre Seelen zurück; nach Ps. 19, 8: „Die Thora des Ewigen ist vollkommen, sie führt die Seele wieder zurück.“
„Sein Gaumen ist Süßigkeiten.“ Einem Könige gleich, welcher zu seinem Sohne redete und dieser, von Furcht übermannt, dadurch wie entseelt wurde. Als der König diese Veränderung wahrnahm, herzte und küsste er ihn und redete ihm zu und sprach: Was ist dir? Bist du nicht mein einziges Kind, und bin ich nicht dein Vater? So war es auch am Sinai. Als Gott die Worte sprach: „Ich bin der Ewige, dein Gott“, entflohen ihnen (den Israeliten) die Seelen. Da fingen die Engel an sie zu umarmen und zu küssen (d. i. sie flössten ihnen durch Liebkosungen und freundliches Zureden Mut ein) und sprachen zu ihnen: Was ist euch? Fürchtet euch nicht, ihr seid Kinder des Ewigen, eures Gottes. Gott versüßte ihren Gaumen d. i. das Wort, und sprach zu ihnen: Seid ihr nicht meine Kinder und bin ich nicht der Ewige, euer Gott? Ihr seid mein Volk und seid mir lieb und wert, und er fing an ihnen so zuzureden, dass ihr Leben (eig. ihre Seele) von neuem zu ihnen zurückkehrte und sie fingen an vor ihm zu beten: Wie ist sein Gaumen voll von Süßigkeiten!
Oder das Gesetz flehte Gottes Erbarmen über die Israeliten an und sprach vor ihm: Herr der Welt! vermählt wohl ein König seine Tochter und tötet dann seinen Eidam (eig. seinen Haussohn)? Die ganze Welt ist um meinetwillen erfreut und deine Kinder sollen sterben? Sofort kehrte ihr Leben in sie zurück, wie der Sänger Ps. 19, 8 sagt: „Die Lehre des Ewigen ist vollkommen, sie führt die Seele zurück.“
R. Acha und R. Tanchum bar R. Chija sagten im Namen des R. Jochanan:
Es heißt Ezech. 20, 20: „Und meine Shabbathe sollt ihr heiligen.“ Wodurch? Durch Speise, Trank und reine Kleider s. Ex. 31, 13. Ich bin beglaubigt, euch dafür gut zu belohnen. Gewöhnlich, setzte R. Chija bar Abba beispielsweise hinzu, wenn ein Mensch mit dem Hausherrn arbeitet, so belohnt ihn der Hausherr, weil er sich mit Lehm besudelt hat, ich aber, spricht Gott, tue nicht so, sondern ich warne die Israeliten und spreche zu ihnen: Besudelt euch nicht mit einer schlechten Sache, so gebe ich euch guten Lohn s. Lev. 11, 43. 44, denn ich bin beglaubigt, euch guten Lohn in der künftigen Welt zu geben. R. Judan sagte im Namen des R. Chama bar R. Chanina und R. Berachja im Namen des R. Abuhu: Es heißt Lev. 20, 26: „Ihr sollt mir heilig sein, denn ich bin heilig, der euch abgesondert hat von den Völkern.“ Wenn es hieße: ich sonderte die Völker von euch ab, so gäbe es keinen Bestand für die Feinde Israels, so aber steht: Ich sonderte euch von den Völkern ab d. i. wie man das Schlechte vom Schönen ausscheidet, und er braucht die Sonderung nicht mehr zu wiederholen, wer es umgekehrt macht und das Schöne vom Schlechten ausscheidet, wird die Sonderung mehrmals wiederholen müssen. Ebenso hier, wenn gesagt wäre: ich sonderte die Völker von euch, da gäbe es keinen Bestand für die Feinde Israels, allein es heißt: ich sonderte euch von den Völkern, daraus geht hervor, schließt R. Acha, dass Gott zu den Völkern der Welt sprach, dass sie sich bekehren (Busse tun) möchten, damit er sie unter seine Fittiche nehme. R. Levi sagte: In allen Hantierungen zeichnen sich die Israeliten von den Völkern der Welt aus, beim Pflügen, Säen, Pflanzen, Ernten, Garbenbinden, Dreschen, durch ihre Tennen, Keltern, Dächer, an ihren Erstgeborenen, ihrem Fleische, am Scheren und Zählen. Bei ihrem Pflügen, wie es heißt Deut. 22, 10: „Du sollst nicht pflügen mit Ochsen und Eseln zugleich“, bei ihrem Säen s. das. V. 9: „Du sollst deinen Weinberg nicht besäen mit zweierlei Samen (Gemischtem)“, bei ihrem Pflanzen s. Lev. 19, 23: „Und achtet als Vorhaut ihre Früchte“, beim Ernten s. das. 19, 9: „Wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, so sollst du nicht die Ecken deines Feldes ganz abernten“, bei ihrem Garbenbinden s. Deut. 24, 19: „Und vergaßest deine Garbe auf dem Felde, so sollst du nicht umkehren“, bei ihrem Dreschen s. das. 25, 4: ,,Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er drischt“, durch ihre Tennen und ihre Keltern s. Ex. 22, 29: „Mit der Fülle und dem Ausflusse sollst du nicht zögern.“ Und was von dem Ertrage ihrer Tennen geschrieben steht, das steht auch vom Ertrage ihrer Keltern geschrieben. Durch ihre Dächer s. Deut. 22, 8: „So du ein Haus bauest, so mache ein Geländer um dein Dach“, durch ihr Scheren s. Lev. 19, 27: „Und du sollst nicht die Ecken deines Bartes abscheren“, und bei ihrem Zählen s. Ex. 30, 12: „Wenn du die Summe der Kinder Israel aufnimmst“ u. s. w. Die Israeliten zählen (das Jahr) nach dem Monde, die Völker der Welt nach der Sonne. R. Berachja gab zwei Erklärungen, die eine im Namen des R. Kahana, die andere im Namen des R. Levi. Die im Namen des R. Kahana lautet: Die Israeliten preisen Gott und dieser preiset sie, sie preisen ihn von oben nach unten, er preist sie von unten nach oben; sie preisen ihn von oben nach unten, dass er, obwohl er in den höchsten Sphären wohnt, doch seine Schechina bei den Unteren wohnen lässt, und er preist sie von unten nach oben, sie (die Gemeinde Israel), welche auf der niedersten Stufe (des Glückes) steht, und er wird sie erhöhen. Gleich einem Könige, wurde im Namen des R. Levi gesagt, der sich mit einer Matrone vermählen, aber zuvor dieselbe sehen wollte. Als er sie zu sehen bekam, fing er an sie zu loben und zu preisen, wie es heißt Cant. 7, 8: „Dieser dein Wuchs gleicht der Palme.“ Auch sie sprach: ich will ihn sehen. Als sie ihn sah, fing sie an ihn zu preisen: „Sein Gaumen Süßigkeit, sein ganzes Leben Lieblichkeit.“