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V. 10. Eine Mauer war ich

V. 10.    Eine Mauer war ich.
Abraham sprach vor Gott: „Ich bin eine Mauer” d. i. ich werde gute Werke wie eine Mauer aufstellen, und meine Brüste gleich Türmen d. i. ich werde Scharen und Genossenschaften von tugendhaften Männern meinesgleichen in deiner Welt stellen.
dann bin ich geworden in seinen Augen wie eine, die Frieden findet.
Gott sprach zu Abraham: Wie du in den Glutofen hinab gestiegen bist, so werde ich dich in Frieden wieder herausbringen s. Gen. 15, 7.
R. Jochanan legte diese Worte auf Sodom und Israel aus s. Ezech. 16, 46, „sie hat keine Brüste” d. i. es nährte (säugte) die religiösen Pflichtgebote und guten Werke nicht. „Was sollen wir unsrer Schwester tun am Tage”, wo der obere Gerichtshof beschließt, dass es mit Feuer verbrannt werde s. Gen. 19, 24. „Ist sie eine Mauer, so bauen wir auf sie” d. i. Israel. Gott sprach nämlich: Wenn die Israeliten ihre Werke wie eine Mauer aufstellen, so bauen wir auf sie und retten sie.  „Ist sie eine Tür” d. i. wenn ihre Worte wie die Türe hin und her sich bewegen, „so verwahren wir sie mit einer Zedertafel.“ Wie das Bild nur eine kurze Zeit Bestand hat, so stehe ich dir auch nur kurze Zeit bei. „Ich bin eine Mauer.“ Die Israeliten sprachen vor Gott: Herr der Welt! wir sind eine Mauer, wir stellen religiöse Pflichten und gute Werke wie eine Mauer. „Und meine Brüste wie Türme“ d. i. wir werden einst ganze Scharen von Gerechten, wie wir sind, in deiner Welt stellen. „Dann bin ich geworden in seinen Augen wie eine, die Frieden findet.“ Warum? Weil die Völker der Welt die Israeliten verhöhnen und zu ihnen sprechen: Wenn es sich so verhält, warum hat euch Gott aus seinem Lande verbannt und warum hat er sein Heiligtum zerstört? Die Israeliten antworteten ihnen: Wir gleichen der Tochter des Königs, „welche eilends in das Haus ihres Vaters ging, schließlich aber in ihr Haus wohlbehalten wieder zurückkehrte“ d. i. in die Verbannung nach Babel, wo der Erzvater ursprünglich gewohnt hatte.
Oder: „Ist sie eine Mauer“ d. i. Chananja, Mischael und Asarja. Gott spricht: Wenn Chananja, Mischael und Asarja ihre Werke aufstellen, so bauen wir auf sie die Welt und retten sie, „ist sie aber eine Tür“ d. i. bewegen sich ihre Werke hin und her wie die Tür, „so verwahren wir sie mit einer Zedertafel.“ Wie sich das Bild nur kurze Zeit hält, so stehen wir ihnen auch nur auf kurze Zeit bei. „Ich bin eine Mauer“ d. i. jene Männer sprachen vor Gott: Wir sind eine Mauer und wir stellen religiöse Pflichtleistungen und guten Werke auf wie eine Mauer. „Und meine Brüste wie Türme“ d. i. wir werden einst in deiner Welt Scharen von Gerechten wie wir stellen. „Dann bin ich geworden in seinen Augen wie eine, die Frieden findet“ d. i. Gott sprach zu ihnen, wie ihr in Frieden in den Glutofen hinabgestiegen seid, so werde ich euch auch in Frieden wieder herausführen s. Dan. 3, 26: „Da gingen Schadrach, Mesach und Abednego heraus aus dem Feuer.“
Die Rabbinen dagegen legten die Worte auf die Exulanten aus. „Unsre kleine Schwester“ d. i. diejenigen, welche aus der Verbannung heraufzogen, waren klein d. i. ein geringer Haufe, „sie hat noch keine Brüste“ d. s. die fünf Dinge, die dem zweiten Tempel fehlten, mit welchen der erste ausgezeichnet war, nämlich das himmlische Feuer, das Salböl, die Bundeslade, der heilige Geist und die Urim und Thummim s. Hagg. 1, 8, (wo an dem Worte hdbkav das h fehlt, welcher Buchstabe bekanntlich der fünfte im hebräischen Alphabete ist); „was sollen wir unserer Schwester tun an dem Tage“, an welchem der Befehl erging: Wer noch nicht den Euphrat überschritten hat, der unterlass es, „wenn sie eine Mauer ist“ d. i. wenn die Israeliten als eine Mauer von Babylon mit hinaufgezogen wären, so wäre der zweite Tempel nicht zerstört worden. R. Sera ging einst auf den Markt, um Nahrungsmittel zu kaufen. Wäge mir richtig (gut, schön)! sprach er zum Verkäufer. Dieser versetzte: Gehst du nicht weg von hier, von den Babyloniern, deren Vorfahren das Heiligtum zerstört haben? In diesem Augenblicke antwortete R. Sera: Sind nicht meine Vorfahren denen dieses Mannes gleich? Er ging darauf in das Versammlungshaus, wo er R. Schila über den obigen Vers vortragen hörte, den er dahin erläuterte: Wenn die Israeliten wie eine Mauer (d. i. wenn alle von einem Geiste beseelt) aus der Verbannung hinaufgezogen wären, so wäre der zweite Tempel nicht zerstört worden. Jener Ungebildete, äußerte R. Sera, hat mir etwas Treffliches gelehrt. „Wenn sie eine Tür ist, so verwahren wir sie mit einer Zedertafel.“ Wie von einem Bilde, wenn es auch verwischt ist, dennoch die Stelle des Gemäldes kenntlich bleibt, so haben auch die Israeliten selbst nach der Zerstörung des Tempels die drei jährlichen Wallfahrtsfeste beobachtet (dass sie nämlich nach den Ruinen des Tempels wallfahrten).
Nach R. Ibo sprach Gott: Einst werde ich Israel einen Fürsprecher zwischen den Völkern der Welt schaffen. Welchen? Das Batkol (die Tochterstimme, Himmelsstimme) s. Jes.  1, 9.
Es ist gelehrt worden: Nach dem Hinscheiden der letzten Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi war der heilige Geist von Israel gewichen und dennoch bediente man sich des Batkol. Einst ließ bei einer Sitzung auf dem Boden des Hauses von Gadja (eig. Haus des Glückes) zu Jericho eine Stimme vom Himmel herab die Worte vernehmen: es ist einer unter euch, der des heiligen Geistes würdig ist (wie unser Lehrer Mose), nur sein Zeitalter verdient es nicht. Die Weisen richteten ihre Blicke auf Hillel den Alten, auf den nach seinem Ableben ausgerufen wurde: Dieser war ein frommer, bescheidener Mann, ein Schüler Esras.
Als die Weisen (Gelehrten) Israels in einer andern Sitzung im Weinberge zu Jabne beisammen waren, (war es denn wirklich in einem Weinberge? Nein, die Mitglieder des Synedriums saßen nur in Reihen und Scharen, wie die Pflanzungen in einem Weinberg) rief ein Batkol: es ist ein Mensch unter euch, welcher des heiligen Geistes würdig ist, nur sein Zeitalter verdient es nicht. Da richteten sie ihre Augen auf Samuel den Kleinen. Nach seinem Ableben sagte man auf ihn: Dieser war ein bescheidener, frommer Mann, ein wirklicher Jünger Hillels des Alten. Er sagte auch in der Tat in seiner Sterbestunde folgende drei Dinge voraus: Simeon (ben Gamliel und) Ismael (der Sohn des Hohenpriesters Elischa) werden durch das Schwert fallen, die übrigen Genossen werden erschlagen und das übrige Volk wird zur Beute werden und große Not wird in die Welt kommen und dies sprach er in aramäischer Sprache. Auch über R. Jehuda ben Baba hatte man angeordnet, nach seinem Ableben zu sprechen: Dieser war ein bescheidener, frommer Mann, ein wirklicher Schüler Samuels, allein die Zeit war ihm nicht günstig, man wagte es nicht, Märtyrer öffentlich zu betrauern.
Einmal hörte der Hohepriester Jochanan ein Batkol vom Allerheiligsten her erschallen: Die Jünglinge, die in den Krieg nach Antiochia gezogen sind, haben gesiegt, sie schrieben es auf und es traf wirklich bis auf die Stunde ein.
Simeon der Gerechte hörte ein Batkol vom Allerheiligsten her in aramäischer Sprache ausrufen: Des Feindes Vorhaben, die heilige Stätte zu vernichten, ist vereitelt, Cajus Caligula ist gefallen und seine Beschlüsse sind vernichtet.
Zwischen dem Batkol und den Propheten besteht nach R. Hunja im Namen des R. Ruben ein ähnliches Verhältnis, wie mit einem Könige und seinem Bilde. Ist jener im Lande, so wendet man sich mit seinem Anliegen an ihn und er gewährt es, ist der König aber nicht im Lande, so ist doch sein Bild da, allein das Bild kann nicht das tun, was der König tut.
R. Jochanan sagte, es steht Deut. 28, 65 geschrieben: „Der Ewige wird dir ein zornig Herz geben“ d. i. als die Israeliten hinaufzogen, brach der Zorn aus, denn er war mit ihnen hinaufgezogen. R. Samuel bar Nachman sagte: Dort war das Herz zum Zorn gereizt, nach ihrer Rückkehr war es aber besänftigt. Wenn R. Levi die Israeliten in Babylon auf dem Markte (der Strasse) versammelt sah, sprach er zu ihnen: Zerstreut euch, ihr habt es euch selbst zugezogen! Als ihr hinaufzogt, bildetet ihr keine Mauer (s. oben) und hier wollt ihr es tun? Wenn R. Jochanan sie sah, fuhr er sie an und sprach: Der Prophet Hosea (s. 9, 17) war gegen euch aufgebracht, dass ihr Gott nicht gehorcht, soll ich es nicht sein?
R. Abba bar Kahana sagte: Wenn du die Sessel im israelitischen Lande mit Babyloniern besetzt siehst, so kannst du den Fußspuren  des Messias entgegen  sehen. Warum? S. Thren. 1, 13. R. Simeon ben Jochai hat gelehrt: Wenn du ein persisches Pferd an den Gräbern des israelitischen Landes gebunden siehst, dann kannst du die Fußspuren des Messias erwarten s. Micha 5, 4. Wer sind die von den Propheten angedeuteten sieben Hirten? Es
sind David in der Mitte, Adam, Seth, Methuschelach zu seiner
rechten und Abraham, Jacob und Mose zu seiner linken Seite.
Wohin ist Jizchak gegangen? Er hat sich an die Höllenpforte gesetzt, um seine Kinder vor dem Höllengericht zu retten; und die
acht Fürsten sind: Isai, Saul, Samuel, Amos, Zephanja, Chiskia,
Elia und der König Messias.