V. 14. Flieh, mein Geliebter, gleich der Gazelle

V. 14. Flieh, mein Geliebter, gleich der Gazelle d. i.
das obere Heer, die zu deiner Ehre einmütig singen, „auf Balsambergen“ (,ymsb yrh li) d. i. ziehe dich in die höchsten Himmel (,ynvylih ,yms ymsb) zurück!
Oder: Flieh, mein Geliebter, aus der Verbannung, in der ich mich von Sünden besudelt befinde, reinige uns wie eine Gazelle, oder wie ein Junges der Hirsche, dass du unser Gebet wie Bock- und Widderopfer annehmen wollest, „auf den Balsambergen“, dass sie wie der angenehme Opferduft unserer Väter aufsteigen, der so würzig wie aus dem Paradiese war, das nur Würziges enthält. R. Jeremja  sagte  im Namen des R. Chija  des Grossen: Auf die zwei Schulgenossen, die mit einer halachischen Frage sich beschäftigen und einander zu besiegen suchen, lässt sich Mal. 3, 16 anwenden, wo unter dem daselbst vorkommenden Worte vrbdn nichts anderes zu verstehen ist, als txn unterwerfen vergl. Ps. 18, 48. Auch wenn sie sich irren, so klärt Gott ihnen den Irrtum auf s. Mal. 3, 16 vergl. Jerem. 31, 33.
R. Judan sagte: Wenn die Israeliten in Genossenschaften im Gesetze lesen, da spricht Gott, lass mich deine Stimme hören, sonst fliehe, mein Geliebter. R. Sera sagte: Wenn die Israeliten das Schema mit einem Munde, einstimmig, mit einem Gesänge lesen, da spricht Gott: Lass mich deine Stimme hören, wenn nicht, so fliehe, mein Geliebter. Gleich einem Könige, sagte R. Levi, der zu einem Gastmahle Gäste eingeladen hatte. Manche aßen, tranken und priesen ihn, manche aber aßen und tranken und beschimpften ihn. Der König bemerkte es und wollte das Mahl sogleich aufheben. Da trat seine Gemahlin herein und machte für die letzteren den Fürsprecher, indem sie sagte: Mein Herr König! achte nicht auf die, welche essen und trinken und dich beschimpfen, sondern auf die, welche essen und trinken und dir danken und dich loben. So auch, wenn die Israeliten essen, trinken und Gott danken, loben und preisen, da achtet Gott auf den Lobpreis und hat Wohlgefallen daran. Wenn aber die Völker der Welt essen und trinken und ihn dabei schmähen und lästern durch ihre Ausschweifung, dann tritt, selbst wenn er den Plan gefasst hat, seine Welt zu verwüsten, das Gesetz als Fürsprecher auf und spricht: Herr der Welt! du siehst nur auf die, welche dich schmähen und erzürnen, sieh doch auf die Israeliten, welche danken, loben und preisen deinen großen Namen mit dem Gesetz, mit Psalmen und Lobgesängen. Und der heilige Geist ruft: Flieh, mein Geliebter! vor den Völkern der Welt und schließ dich den Israeliten an.
„Gleich der Gazelle.“ Wie die Gazelle, wenn sie schläft, ein Auge offen und eins geschlossen hat, ebenso sieht Gott auf die Israeliten, wenn sie seinen Willen tun mit zwei Augen s. Ps. 34, 16, er sieht aber nur auf sie mit einem Auge, wenn sie seinen Willen nicht tun s. Ps. 33, 18. „Auf den Balsambergen.“ Gott spricht hier, sagte R. Simon: Wartet, bis ich zu Gericht sitze über die Berge d. i. über die Schutzherrn (der Völker), die bei mir im Himmel sich befinden. R. Jizchak verweist hierbei auf Ex. 30, 23, wo von Gewürzen die Rede ist, welche die Völker für ihre Schutzherrn halten. R. Hunja macht die Bemerkung dazu: Gott bestraft eine Nation hier unten erst dann, wenn er ihren Schutzherrn oben gestürzt hat und beruft sich auf 5 Schriftstellen, nämlich 1) auf Jes. 24, 21: „An demselben Tage straft der Ewige die Mächte der Höhe in der Höhe.“ Was folgt darauf? Und die Könige der Erde auf Erden; 2) das. 14, 12: „Wie bist du vom Himmel gefallen, glänzender Sohn der Morgenröte.” Was folgt darauf? „Zur Erde bist du gefällt, der du die Völker niedertratest”; 3) das. 34, 5: „Denn trunken fährt mein Schwert vom Himmel.” Was folgt darauf? „Sieh es fährt auf Edom herab, auf das fluchbeladene Volk, zum Strafgericht”; 4) Ps. 149, 8. 9: „Um ihre Könige zu binden mit Ketten.” Was folgt darauf? „Und ihre Edlen mit eisernen Fesseln”, wo nach R. Tanchuma, unter „ihren Königen” die oberen Schutzherren und unter „ihren Geehrten” ihre Fürsten unten auf Erden zu verstehen sind, und 5) das. V. 9: „Um ihnen zu tun nach dem geschriebenen Recht.” Was folgt darauf? „Ehre ist solches allen seinen Frommen, Halleluja!”
Mit vier Dingen wird die verheißene Größe Israels verglichen, mit der Ernte, mit der Weinlese, mit dem Pflücken wohlriechender Kräuter und mit der Gebärenden. Das Feld, wenn die Ernte nicht zur rechten Zeit geschieht, so ist selbst das Stroh nicht gut, geschieht sie aber zur rechten Zeit, so ist sie gut, wie geschrieben steht Joel 4, 12: „Leget die Sichel an, denn reif ist die Ernte.” Der Weinberg, wenn die Weinlese nicht zur rechten Zeit geschieht, so ist selbst der Essig nicht gut, geschieht sie aber zur rechten Zeit,  so ist es gut, wie es heißt Jes. 27, 2: „An diesem Tage singet vom Weinberge.” Hat der Weinberg Wein gebracht, so ist es ihm ein Preis  (Lob). Wie die Gewürze, sobald sie gesammelt werden, wenn sie noch zart und saftig sind, keinen Geruch ausströmen, sobald sie aber trocken gesammelt werden, so strömen sie Geruch aus.   Wenn das Weib zur Unzeit niederkommt, so  hat das Kind kein Leben, kommt es aber zur  rechten  Zeit  nieder, so lebt das  Kind,   wie   es   heißt Micha 4, 2: „Darum gibt sie (der Ewige) hin, bis dass die Gebärerin gebiert.” R. Acha im  Namen  des  R.   Josua  ben  Levi  verweist auf Jes. 60, 22:  „Ich, der Ewige, vollbring es schnell zu seiner Zeit”, welche Worte sagen wollen: Wenn die Israeliten die Erlösung nicht verdienen, so bringe ich sie zu seiner Zeit herbei, verdienen sie dieselbe aber, so beschleunige ich sie.  So möge es Gottes Wille sein, dass sie mit Eile herbeikomme!
Amen.