Die Einheit und Einigkeit Israel's - Wajehi ha-mischkan echad

»Man machte funfzig Haken von Gold, verband die Teppiche mit einander durch die Haken, und die Wohnung ward ein Ganzes.« 2. B: M. 36, 13.

seit den ältesten Zeiten sind die Stoffe, welche bei der Verfertigung der Stiftshütte gebraucht wurden, die Längen-, Breiten- und Höhenmaße einzelner Theile und des ganzen Zeltes, die heiligen Geräthe, deren Form ‏und‎ Stellung im Innern des Mischkan, besonders die Bundeslade, der Tisch , der Leuchter, der Opfer- und der Räucheraltar, die Kleider, welche den Hohenpriester schmücken und verherrlichten, als Bilder und Zeichen für einen bestimmten Kreis von höheren Ideen1) aufgefaßt, gedeutet und erklärt worden.
Der Cohen und Geschichtshreiber Josephus, der jüdisch: alexandrinische Schrifterklärer Philo, die alten Weisen des Mid-
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(1 היכל של מטה מכוון לנגד היכל של מעלה. (תנחומא פ' פקודי)


rasch, Rabbi Saadja Gaon, Rabbi Jehuda ha-Lewi, Rabbi Abraham Ibn-Esra, Rabbi Bachja ben Ascher, Rabbi Lewi ben Gerschom, Rabbi Isaak Arama, Don Isaak Abrabanel , Rabbi Moses Isserles, die ersten und bedeutendsten Männer in Israel, welche Erläuterungen zur Thora geschrieben haben, stimmen darin überein, daß das Mischkan oder Heiligthum Gottes große und wichtige Wahrheiten bildlich ausprägte, welche in das Bewußtsein des Israeliten tief eindringen sollten1); nur in der Auffassung des Ganzen und der Ausdeutung des Einzelnen weichen sie von einander ab. Denn während die Einen in dem Mischkan ein Bild des großen Weltalls, des Himmels und der Erde2) erblicken, sehen die Anderen in demselben einen Schattenriß des Menschen, der eine Welt im Kleinen ist.
Ohne uns für die eine oder andere Ansicht heute zu entscheiden, wollen wir doch im Hauptpunkte die Spuren unserer alten Lehrer betreten, die Stiftshütte nämlich als ein Sinnbild, und zwar als ein sehr einfaches betrachten. »Wajehi ha- mischkan echad«, sagt die Schrift ; trotz der verschiedenen Stoffe, Farben, Geräthe und Maße, troß der verschiedenen Grade der Heiligkeit, welche den drei Haupttheilen desselben beigelegt wurden, ward das Mischkan eins, machte es auf jeden Beschauer den Eindruck eines eng verbundenen Ganzen.
So oft daher das Stiftszelt aufgerichtet wurde, hatte Israel, das selbst nichts Anderes als ein wanderndes Mischkan des einig-einzigen Gottes ist3), ein mahnendes Bild vor Augen, ein Ganzes zu sein, eins zu bleiben. Und wenn wir aus den vier Abschnitten Teruma, Tezawe, Wajakhel und Pekude keine andere Lehre schöpfen könnten, als die eine große, daß wir
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(1 ועשו לי מקדש ושכנתי בתוכם. - 2) המשכן שקול כנגד שמים וארץ. ‏ - 3) ונתתי את מקדשי בתוכם לעולם. (יחזקאל ל"ז)


Israeliten ein einiges Volk sein müssen, »wajehi ha-mischkan echad«, daß die irdische Wohnstätte Gottes, daß Israel ein Ganzes sein soll — wahrlich wir würden sie nicht vergebens jedes Jahr an vier oder drei Sabbaten öffentlich verlesen. Denn nicht oft genug kann Israel ermahnt werden, keine Spaltung in seiner Mitte hervorzurufen, keine Trennung seiner Glieder zu begünstigen, das heilige Band der Einheit nicht frevelhaft zu zerreißen! Wohlan denn! wajehi ha-mischkan echad, über die Einheit und Einigkeit Israel's will ich reden zu einer Zeit, in welcher Israeliten den Feinden Israels die Hand reichen, um das Volk des einen Gottes zu theilen und zu spalten.

I.

»Wajehi ha-mischkan echad«, eins und einig soll Israel, das wandernde Mischkan des einigen Gottes sein, daran erinnerte es das Stiftszelt im Ganzen wie im Einzelnen. In demselben gab es Metalle, die sich in ihrem Werthe von einander unterscheiden, Stoffe, die verschiedene Farben hatten, Steine, die zu den seltensten und gewöhnlichsten zählten — und doch diente Alles dem Ganzen, trug jedes sein Theil zur Schönheit des Mischkan bei. Man sah in demselben den goldenen Leuchter mit dessen Röhren, Kelchen, Knäufen und Blüthen, aber Alles aus einem stücke, von Innen herausgetrieben — und wieder ein Ganzes. Da stand der Opferaltar aus unbehauenen Steinen, ohne daß Eisen zu dessen Bau genommen werden durfte — ein Bild der Friedfertigkeit, auf welcher die Einigkeit ruht. Da erschien der Hohepriester, auf seinem Herzen den Choschen tragend mit den in zwölf Edelsteinen eingegrabenen Namen der israelitischen Stämme, damit er stets eingedenk bleibe1), daß die verschiedenen Stämme durch den Glauben an den einzigen Gott eins sind, daß er keinen derselben auf Kosten des andern bevorzuge, daß er als der höchste Priester, der in das Allerheiligste tritt, die Einheit Israel's als das theuerste Kleinod mit seinem Herzen, mit seinen besten Kräften zu wahren habe.
»Wajehi ha-mischkan echad«, eins und einig soll Israel, das wandernde Mischkan des einigen Gottes sein, daran mahnten es besonders die fünfzig goldenen Haken, welche das Stiftszelt zusammenhielten. Denn, wie schon ein alter Weiser bemerkt2), hatten die goldenen Haken die Form und den Glanz der Sterne am Himmel — und die Sterne am Himmel sind das uralte Bild für Israel! Wie jene in größerer oder klei- nerer Entfernung, in schneller oder langsamer Bewegung, mit hellerem oder dunklerem Lichte um die Sonne kreisen,‎ ‎so soll dieses in dem Glauben an den einen Gott die Sonne des Israelitenthums erblicken; wer von ihm, dem ewigen, lebendigen, einig-einzigen Gotte angezogen wird, wer nicht die Bahn verläßt, welche ihn in dessen Nähe hält, der hat seinen Platz am Himmel Israel's, und kein Mensch hat das Recht ihn auszustoßen und dadurch die Einheit des Volkes Israel's zu zerreißen.
» Wajehi ha-mischkan echad«, eins und einig soll Israel, das wandernde Mischkan des einigen Gottes sein, dazu forderte es der halbe Schekel auf, den Jeglicher, der Reiche wie der Arme zur Errichtung des Stiftszeltes geben mußte. Denn der halbe Schekel bedeutet nichts Anderes, nach vielen der besten Schrifterklärer Israel's, als daß jeder Israelit für sich allein, losgetrennt von der Gesammtheit, welcher er durch
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1) לזכרון לפני ה' תמיד.
2) היו‏ קרסי זהב נראין במשכן ככוכבים הנראין ברקיע. ש"ר פ' ליה

 

Geburt und Glauben angehört, blos ein Halbes, ein Bruchstück, unvollendet und unvollkommen ist, und daß er nur durch die bewußte Hingebung an das Allgemeine, durch den innigen Anschluß an das Gesammtvolk, durch die brüderliche Vereinigung mit allen Gliedern Israel's, Theil eines Ganzen wird und bleibt. »Wenn du die Zahl der Kinder Israel's" aufnimmst,« sagt die Schrift1), »indem« du jeden Einzelnen musterst, und die Gefahr nahe liegt, daß eine Vereinzelung und Zersplitterung, eine Trennung und Sonderung entstehen könnte, so soll Jeder ein Lösegeld dem Herrn für seine Person geben, damit die Israeliten sich bewußt werden, daß die Trennung der einzelnen Glieder. die Lockerung des engen israelitischen Verbandes, Sterben und Verderben, Schwächung und Untergang erzeugt, und dieses Lösegeld sei ein halber Schekel ohne Unterschied; »Jeder, ob arm oder reich, vornehm oder gering soll es wissen, daß er für sich allein ein Halbes und nur im engen Anschlusse an die israelitische Gemeinde zum Ganzen wird.«
» Wajehi ha-mischkan echad«, eins und einig soll Israel, das wandernde Mischkan des einigen Gottes sein, weil es bei seiner verhältnißmäßig geringen Anzahl2) nur dadurch die Kraft zum Widerstande gegen feindliche Angriffe und die Ausdauer zur Erfüllung seiner weltgeschichtlichen Sendung erlangen kann. »Wenn ihr Israeliten,« rief Moses Israel vor seinem Tode zu2), »Alle als ein Ganzes, einig und eng aneinander geschlossen erscheint, dann steht ihr fest und unerschütterlich auf dem Boden der Geschichte«, dann sind alle Pfeile machtlos, welche der Haß gegen euch schleudert, um euch zu
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1) כי תשא את ראש בני ישראל לפקודיהם ונתנו איש כפר נפשו לה' בפקד אותם ולא יחיה בהם נגפ בפקד אותם.
2) כי אתם המעט מכל העמים.
3) אתם נצבים היום כולכם לפני ה' אלהיכם.


vernichten. Als daher Haman, sagen unsere Weisen1), nach der Erklärung R. Asarja Figo's, zehntausend Kikar Silber für die Vernichtung Israel's geboten hatte, ertönte eine göttliche Stimme: »Thörichter Feind meines Volkes! Der halbe Schekel Israel's wirkt mehr als deine zehntausend Kikar Silber. Denn er ist das Symbol der Einigkeit, und wenn mein Volk einig ist, wenn es deine Anklage, daß es getrennt und gespalten unter den Nationen lebt2), durch sein festes Zusammenhalten Lügen straft, dann müssen alle seine Feinde zu schanden werden.«
Darum wurden aus dem halben Schekel die Füße gemacht, auf denen das Stiftszelt ruhte, weil von der Einigkeit das Bestehen Israel's abhängt. Darum wurden später in Jerusalen die täglichen Morgen- und Abendopfer von dem halben Schekel dargebracht, damit Israel jeden Tag Morgens und Abends erinnert werde, daß es ein einiges Volk sein müsse. Darum bemerkte einst ein Weiser3): »Das Morgen- und Abendopfer, welches aus dem halben Schekel bestritten wurde, war als Bild und Bethätigung eines durch Adonai einigen Volkes wirksamer und mächtiger für das Bestehen Israel's als das Sch'ma-Bekenntniß und das Gebot der Nächstenliebe«, worauf ein anderer sofort hinzufügte: »Gewiß, da Gott selbst das Mischkan als
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1) גלוי וידוע לפני מי שאמר והיה העולם שעתיד זה המן. הרשע לשקול שקלים על ישראל לפיכך הקדים שקליהם לשקלי המן. מגילה פ''א‏
2) ומפורד בין העמים.
3) בן זומא אומר מצינו פסוק כולל יותר והוא שמע ישראל וג' בן ננס אומר מצינו פסוק כולל יותר והוא ואהבת לרעך כמוך שמעון בן פזי אומר מצינו פסוק כולל יותר וחוא את הכבש אחד תעשה בבקר וג', עמד ר' פלוני על רגליו ואמר ‎הלכה כבן פזי דכתיב ככל אשר אני מראה אותך את תבנית‏ המשכן. מובא בהקדמת הכותב לעין יעקב


Symbol der Einigkeit in Israel Moses gezeigt hatte.« Darum geht dem Sabbat, der uns an Amalek, den Erzfeind Israel's erinnert, der Sabbat Schekalim voran, der uns jedes Jahr einprägt1): »Trenne dich nie von der israelitischen Gesammtheit,« und wiederhole dir, daß dein Volk dem Sand an den Ufern des Meeres gleichet; die einzelnen Körner desselben werden vom leisesten Hauche davongetragen, vereinigt und eng verbunden mit einander aber ist er stark genug, den mächtigsten Geschossen Widerstand zu leisten. Darum endlich ließ Gott Moses einen feuerflammenden Schekel sehen2), gleichwie er ihm im brennenden Dornbusche erschienen war, um ihm anzudeuten, daß der halbe Schekel nicht blos eine Steuer, sondern der Ausdruck für eine der wichtigsten Bedingungen zur Erhaltung des Volkes Israel's ist.

II.

»Wajehi ha-mischkan echad«, Israel, das wandernde Mischkan des einigen Gottes, soll eins und einig sein und kann es auch sein. Denn der Gott, welchen es anbetet, ist Adonai echad, ein einig-einziger Gott, dessen einheitliches, sich selbst gleiches Wesen keine Veranlassung zu trennenden Lehrstreitigkeiten bietet. Der eine Gott Israel's is unerforschlich, unergründlih, und entzieht sich dadurch der Meinungsverschiedenheit über sein selbst; der eine Gott Israel's ist unsichtbar, unerfaßbar, und es läßt sich daher über seine Gestalt nicht streiten; der eine Gott Israel's is ewig, unveränderlich, und es giebt keinen Wechsel von Zuständen in ihm, welche verschiedene Ansichten hervorrufen könnten. Er is eins, sein Wesen eins, sein Willen eins, sein Wirken eins, und der Glaube
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1) אל תפרוש מן הצבור. אבות פ''ב
2) כמין מטבע של אש הוציא הקב''ה מתחת כסא הכבוד והראהו למשה ואמר ליה זה יתנו כזה יתנו. תנחומא פ' כי תשא


an ihn eins und einigend, den religiösen Frieden erhaltend und bekräftigend1).
»Wajehi ha-mischkan echad«, Israel, das wandernde Mischkan des einigen Gottes kann einig sein, indem das Judenthum dem Geiste seiner Bekenner keine Gewalt anthut2), dessen Schwungkraft nicht durch Glaubensformeln lähmt, und ihm jene freie Bewegung gestattet, welche eine Mannigfaltigkeit der Ansichten möglich macht, ohne die Grundlagen der Glaubenseinheit zu ershüttern.
»Wer,« sagt Rabbi Simon ben Zemah Duran3) »an die Stammwahrheiten oder die Wurzeln des Volkes Israel's, d. h.
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1) שולמית אומה ששלום חי העולמים מתנהג בה. מ''ח פיסקא שובי
2) 'התורה לא תכריחנו להאמין דעת כוזב. הקדמת אוהב משפט פ' ט
3) מי שעלו בידו שרשי
התורה (ג' עיקרים הם אבות לכולן והם האמונה באלהות
והאמונה בתורה והאמונה בגמול ולפי זה לא הזכירה
המשנה אלא ג' אלה האומר אין תח"המ מן התורה ואין
תורה מן השמים וְאפיקורוס. שם פרק י') כראוי ועומק
עיונו הטה אותו להאמין בסעיף אחד מסעיפיה הפך ממה
שהוסכם עליו שהוא הראוי להאמין ומשתדל לפרש פסוקי
התורה על יסוד מה שעלה בידו באמונה אע"פ שמאמין
כן אינו כופר******שהוא חושב שזאת היא כוונת
התורה ולפי זה אע"פ שמאמין כן לפי הסכמת אומתנו
אינו כופר. הלא תראה כי יש מחכמי ישראל מי שהאמין
בחדוש העולם הפך המוסכם עלינו מאמונתינו ואמר
שסדר זמנים היה קודם לכן ויש מי שאמר שהקב''ה היה
בונה עולמות ומחריבן*****וחלילה וחס שנאמר בהם
שהם יוצאים מכלל ישראל מפני שהאמינו החדוש בשבוש
וכן יש מחכמי ישראל מי שאמר שאין להם לישראל ימות
המשיח*****לא אמרו עליו שהוא כופר ***** וענין
אלישע בן אבויה הוא סתירת העיקרים מכללם והאמין
בשתי רשויות הפך הכתוב הצווח ה' אלהינו ה' אחד
ומפני זה קראוהו מקצץ בנטיעות אבל המקיים הנטיעות
בשרשיהם וקצץ פתילים בסעיפיהם אע''פ שהוא טועה
אינו כופר. (שם פרק ט')


das Dasein eines einig-einzigen, ewigen und unkörperlichen Gottes, die Offenbarung desselben durch einzelne erkorne Geister und die auf Gerechtigkeit ruhende Weltordnung glaubt, in der Entwickelung derselben aber von den allgemein verbreiteten Ansichten sich unterscheidet, weil er gewisse Bibelstellen in einem andern Sinne erklärt, der ist nimmermehr ein Ketzer, so wenig jene Männer es waren, welche im Midrasch und im Talmud z. B. über die Weltschöpfung und den Messias Meinungen ausgesprochen haben, die zumeist verworfen wurden, und wenn Elisha ben Abuja als Abtrünuiger galt, so geshah es nur, weil er die Wurzel des Volkes Israel's, den reinen und einen Gottesglauben durchschnitten hatte.« — Die Thora giebt ferner, mit Ausnahme einiger Stellen, nirgends den Grund eines Gesetzes an, und überläßt es jedem denkenden Israeliten seine Ansichten mit dem Gesetze in Einklang zu bringen: ein Beweis, daß sie der Freiheit der Forschung und der Verschiedenheit der Ideen einen großen Spielraum gewährt — und diese Freiheit des Einzelnen, sich den Sinn der Gesetze nach seiner Weise zu deuten, hat viel dazu beigetragen, das Denken in Israel zu wecken und dem Volke Israel eine nie versiegende Lebensfrische zu erhalten.
Israel soll ein einiges Volk sein und kann ein einiges Volk sein; warum, frage ich nun, will man diese Einigkeit stören? Warum ist der glühende Fanatismus hinausgetreten in die Oeffentlichkeit um zu theilen und zu trennen1)?‎ Was ist denn geschehen? Man hat in unserer Stadt öffentlich bezeugt und betheuert, daß Israel ein einiges Volk, daß es heute wie vor Jahrtausenden durch den Glauben an den einigen Gott eins, daß es trotz Tempel und Synagoge, trotz verschiedener Gesänge in seinen Bethäusern treu sich schaart um die Fahne
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1) הבערה לחלק יצאת


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des einen Gottes , daß wir alle, die wir das Sch'ma zu unserem Bekenntnisse machen im Leben wie im Sterben, rechtgläubige Israeliten sind — und um deßwillen stößt man in die Kriegsposaune?
»Besser einen Buchstaben aus der Thora entfernen«, sagen die Weisen1), »als den Namen des Allerheiligsten entweihen«; ist es aber nicht eine Herabwürdigung des Gottes Israel's, wenn man öffentlich erklärt, das Judenthum ist zerspalten, zerklüftet, zerfallen, hat nicht mehr Lebenskraft und Wärme genug, um alle Nachkommen Jakob's in unserer Zeit anzuziehen, oder wenn man Hand in Hand geht mit unseren Feinden2), welche über unsere inneren religiösen Angelegenheiten entscheiden wollen? Jerusalem wurde von den Römern besiegt, lautet ein Spruch der Alten3), weil man das Morgen- und Abend-sSch'ma vereitelte. Wie? ist das möglich, ist das denkbar? sollte man in Jerusalem Jemanden verhindert haben das Sch'ma-Bekenntniß abzulegen? Gewiß nicht! Gesprochen hatte man es wohl an jedem Tage, am Morgen wie am Abend, allein es war ein bloßes Lippenwerk, ohne daß es in das Herz gedrungen wäre und die Gesammtheit geleitet hätte; das Volk des einigen Gottes war uneinig, vergaß daß es einen Gott verehrt, wollte nicht brüderlich zusammenhalten, vereitelte die Wirkung des Sch'ma-Bekenntnisses und — wurde unterjocht! Und was damals geschah, kann in unserer Zeit in ähnlicher Weise eintreffen. Denn wenn unsere Verfassung ein dreijähriges Kind ist, so liegt Israel's bürgerliches Verhältniß zum Staate noch in der Wiege, ist noch sehr schwach und zart,
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1) מוטב שתעקר אות אחת מן התורה ואל יתחלל ש''ש בפרהסיא. יבמות. ע"ט
2) ואויבינו פלילים
3) לא חרבה ירושלים אלא בשביל שבטלו ק"ש שחרית וערבית. שבת קי"ט


bedarf noch der größten Schonung und der sorgsamsten Pflege, wenn es sich weiter kräftig entwickeln soll, und troßdem heißt das Losungswort: Wajakhel, sammelt man Unterschriften, nicht um die Wohnung Gottes aufzurichten und zu befestigen, sondern um Israel durch Trennung und Spaltung zu schwächen‎.
Allein zum Abschnitte Wajakhel gehört in der Regel der nächste Pekude; sammeln sich Jene, so wollen wir sie zählen und mustern, und wen finden wir? Die söhne Merari's, welche die Bretterwände des Mischkan trugen1), ein Häuflein, das weder in das Innere des Volkes Israel's einzudringen vermag, wo der Geist lebendig waltet, noch das ganze Heiligthum zu übershauen im Stande ist.
Wir aber, und mit uns Millionen Israeliten, wir wollen treu und unverbrüchlich an der Einheit Israel's festhalten, wollen jeden Tag, Morgens und Abends uns erinnern, daß wir nicht blos den einen Gott anrufen, sondern durch den Glauben an ihn eins und einig sind. »Wajehi ha-mischkan echad«, Israeliten, das wandernde Mischkan des einigen Gottes soll eins sein, kann eins sein, und darum wollen wir eins und einig bleiben. Amen!